Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Kumpels gewesen. Max beobachtete unauffällig die übrigen Gäste, die neugierig oder missgünstig zu ihrem Tisch herübersahen. Der compadrón , der mit Mecha Inzunza getanzt hatte, ließ sie nicht aus den Augen. Er blinzelte durch den Rauch seiner Zigarre, während die Frau mit der geblümten Bluse, den Rock bis zum Schenkel geschoben und ein Bein über das andere geschlagen, teilnahmslos ihren schwarzen Strumpf hochzog. In diesem Moment sagte Mecha, sie würde gern eine Zigarette rauchen, aber draußen an der frischen Luft. Ohne eine Antwort ihres Mannes abzuwarten, erhob sie sich und schritt mit unbekümmert klappernden Absätzen zur Tür, so entschlossen und sicher, wie sie vor einer Weile mit dem compadrón Tango getanzt hatte. Dabei behielt der neugierige, verschlagene Kerl, der sich Juan Rebenque nannte, ihre wiegenden Hüften fest im Blick, bis er von Max abgelenkt wurde, der sich die Krawatte richtete, das Jackett zuknöpfte und ihr folgte. Und während der Eintänzer auf die Tür zustrebte, brauchte er sich nicht umzuschauen, um zu wissen, dass auch Armando de Troeye ihnen nachsah.
Er ging über seinen langen Schatten, den das trübe Lämpchen über der Tür auf das Gehwegpflaster warf. Mecha Inzunza stand an einer Ecke, von wo aus man die letzten Häuser des Viertels sehen konnte, in dieser Gegend nur noch flache Wellblechhütten, die sich auf einem Streifen Land entlang des Riachuelo in der Nacht verloren. Während er sich ihr näherte, sah er nach dem Pierce-Arrow hinüber, den er in der Dunkelheit kaum ausmachen konnte, und der Chauffeur blendete kurz auf. Guter Junge, dachte er beruhigt. Ermochte diesen korrekten und umsichtigen Petrossi mit seiner blauen Uniform, der Tellermütze und der Pistole im Handschuhfach.
Als Max die Frau erreichte, hatte sie die aufgerauchte Zigarette weggeworfen und lauschte auf das nächtliche Zirpen der Grillen und das Quaken der Frösche, das aus dem Gebüsch und aus den alten vermoderten Holzdocks am Ufer kam. Der Mond war noch nicht aufgegangen, doch das eiserne Gerippe der Brücke am Ende der düsteren Straße zeichnete sich gegen den gespenstischen Lichtschein ab, der drüben in Barracas Sur die Nacht durchbrach. Max blieb neben Mecha Inzunza stehen und zündete sich eine seiner türkischen Zigaretten an. Er wusste, dass sie ihn beim kurzen Aufflammen des Streichholzes anschaute. Er schüttelte das Hölzchen, bis es erlosch, blies den ersten Rauch aus und sah die Frau an. Im schwachen Gegenlicht wirkte ihr Profil wie ein Scherenschnitt.
»Ihr Tango hat mir gefallen«, sagte Mecha unvermittelt. Nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Ich schätze, beim Tanzen erweist sich jeder als das, was er ist: ein Mensch mit Feingefühl oder ein Flegel.«
»Wie beim Trinken«, setzte Max sanft hinzu.
»Ganz recht.«
Sie schwieg erneut.
»Diese Frau war ...«, begann sie dann, sprach jedoch nicht weiter. Oder vielleicht hatte sie auch schon alles gesagt.
»Eine geeignete Partnerin?«, half er ihr aus.
»So in etwa.«
Sie sagte nichts mehr und Max auch nicht. Er rauchte stumm und dachte darüber nach, was er als Nächstes tun sollte, um möglichst keinen Fehler zu machen. Mit einem Achselzucken entschied er sich schließlich.
»Mir dagegen hat ihr Tango nicht gefallen.«
»Ach.« Sie klang ehrlich überrascht und ein klein wenigüberheblich. »Ich finde nicht, dass ich schlecht getanzt habe.«
»Darum geht es nicht.« Er musste lächeln, wusste aber, dass sie es nicht sehen konnte. »Selbstverständlich haben Sie wundervoll getanzt.«
»Also?«
»Ihr Partner. Ich meine, das ist kein friedlicher Ort.«
»Verstehe.«
»Gewisse Spielchen können hier gefährlich werden.«
Drei Sekunden Schweigen. Dann fünf frostige Worte.
»Von welchen Spielchen reden Sie?«
Er hielt es taktisch für klüger, nicht auf die Frage einzugehen. Er rauchte die Zigarette zu Ende und schnippte sie weit weg. Die Glut beschrieb einen Bogen, ehe sie in der Dunkelheit verglomm.
»Ihr Mann fühlt sich pudelwohl. Er scheint den Abend wirklich zu genießen.«
Sie erwiderte nichts, als dächte sie noch immer über das zuvor Gesagte nach.
»Ja, sehr«, antwortete sie endlich. »Er ist ganz verzückt, weil es alle seine Erwartungen übertrifft. Er war mit der Vorstellung von Salons, vornehmer Gesellschaft und solchen Dingen nach Buenos Aires gekommen. Weil er eigentlich einen eleganten Tango schreiben wollte, einen für weiße Krawatten. Ich fürchte, von diesem Vorhaben haben Sie ihn auf der
Weitere Kostenlose Bücher