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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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zu machen. Er ging gekrümmt unter der Last eines riesigen, tropfenden Eisblocks, den er auf seiner mit einem Stück Kautschuk geschützten Schulter schleppte.
    »Du hast recht«, sagte Max. »Es ist nicht leicht, sich in reiche Leute hineinzuversetzen.«
    »Armando und ich sind keine reichen Leute. Wir sind nur wohlhabend.«
    Max dachte über den Unterschied nach. Sie waren an einem Geländer stehengeblieben, das sich die Straße entlang um die Flussbiegung von Rocha zog. Ein Blick zurück bestätigte ihm, dass auch der achtsame Petrossi in einiger Entfernung angehalten hatte.
    »Warum hast du geheiratet?«
    »Nun ja.« Sie betrachtete die Gabarren und die enorme Eisenkonstruktion der Avellaneda-Brücke. »Armando war ein hochinteressanter Mann. Als ich ihn kennenlernte, war er bereits ein erfolgreicher Komponist. An seiner Seite konnte ich viel Aufregendes erleben. Freunde, Theater, Reisen. Das hätte ich zwar ohne ihn auch irgendwann haben können, aber mit ihm durfte ich früher damit anfangen. Das Nest verlassen und mich ins Leben stürzen.«
    »Hast du ihn geliebt?«
    »Warum fragst du das, als wäre es Vergangenheit?« Mecha schaute noch immer in Richtung der Brücke. »Das ist überhaupt eine seltsame Frage für einen professionellen Salontänzer.«
    Max strich über das Schweißband seines Hutes. Es war wieder trocken. Er setzte den Hut auf und drückte die Krempe leicht schräg über das rechte Auge.
    »Warum ich?«
    Sie hatte jede seiner Bewegungen genau verfolgt. Mit wohlwollendem Blick. Bei Max’ Frage funkelten ihre Augen vergnügt.
    »Ich wusste, dass du eine Narbe hast, noch ehe ich sie gesehen habe.«
    Seine Verwirrung amüsierte sie sichtlich. Erst vor wenigen Stunden hatte sie ohne Kommentar die Narbe gestreichelt, geküsst und die Tropfen von seiner schweißglänzenden Brust geleckt, wo ihn sieben Jahre zuvor der Schuss getroffen hatte, als er an Allerseelen im Morgengrauen mit seinen Kameraden mühsam einen Hang hinaufgestiegen war, über Felsen und durch Gesträuch, in dem noch der Frühnebel hing.
    »Manche Männer haben etwas im Blick und im Lächeln«, setzte Mecha nach einer Weile hinzu, weil sie wohl fand, dass sie ihm eine Erklärung schuldete. »Als schleiften sie einen unsichtbaren Koffer voll düsterer Dinge mit sich herum.«
    Sie musterte seinen Hut, den Krawattenknoten, den geschlossenen mittleren Jackenknopf. Mit kritischem Blick.
    »Außerdem bist du schön und zurückhaltend. Teuflisch attraktiv ...«
    Er wusste nicht warum, aber er glaubte zu spüren, dass sie in diesem Moment nicht lächelte.
    »Mir gefällt dein kühler Kopf, Max«, sagte sie. »Darin ähneln wir uns in gewisser Weise.«
    Sie stand noch immer da und betrachtete ihn. Still und unbeweglich. Dann streckte sie die Hand aus und strich ihm übers Kinn, ohne sich darum zu scheren, dass Petrossi sie vom Auto aus sehen konnte.
    »Ja«, schloss sie. »Ich bin froh über meine Unfähigkeit, dir zu vertrauen.«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung, und Max ging neben ihr her und versuchte, das alles zu verdauen. Angestrengt bemühte er sich, seine Verwirrung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Sie kamen an einem Greis vorbei, der an der Kurbel eines alten Rinaldi-Leierkastens drehte; in mahlendem Rhythmus ertönte El choclo , während das vor die Drehorgel gespannte Pferd einen dampfenden, schäumenden Urinstrahl auf das Pflaster prasseln ließ.
    »Gehen wir morgen wieder ins La Ferroviaria?«
    »Wenn dein Mann das möchte, ja.«
    Ihr Ton war jetzt anders. Fast frivol.
    »Armando brennt darauf. Gestern auf dem Rückweg zum Hotel hat er von nichts anderem gesprochen. Und dann konnte er nicht schlafen und saß bis spät nachts im Pyjama da, schrieb, rauchte und summte vor sich hin. So erlebt man ihn nur selten ... ›Ravel, dieser Narr, wird seinen Bolero mit Mayonnaise essen müssen‹, sagte er lachend. Er hat überhaupt keine Lust, heute Abend ins Teatro Colón zu gehen. Die Spanische Patriotenvereinigung, oder so etwas in der Art, veranstaltet ihm zu Ehren ein Konzert. Und hinterher die offizielle Einladung zum Tango in einem luxuriösen Kabarett, das, glaube ich, Folies Bergère heißt. In Abendgarderobe. Grässlich.«
    »Begleitest du ihn?«
    »Natürlich. Es wäre nicht gut, ihn allein dorthin gehen zu lassen, wo es von diesen Hyänen mit ihren Garden-Court-Pudergesichtern nur so wimmelt.«
    Sie würden sich morgen sehen, fügte sie nach einer Weile hinzu. Wenn Max nichts anderes vorhabe, könnten sie ihm den

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