Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Wagen in die Avenida Almirante Brown schicken, so gegen sieben. Und dann, beispielsweise im Café Richmond, einen Aperitif nehmen und hinterher in einem schönen Lokal im Zentrum zu Abend essen. Sie habe von einem feinen, sehr modernen Restaurant gehört, Las Violetas. Und voneinem anderen in der Calle Florida, oberhalb der Güemes-Passage.
»Das ist nicht nötig.« Max verspürte kein Bedürfnis, mit Armando de Troeye auf heiklem Terrain gepflegte Konversation zu betreiben. »Ich hole euch im Palace ab, und wir fahren direkt nach Barracas. Ich habe im Zentrum noch ein paar Dinge zu erledigen.«
»Diesmal schuldest du mir einen Tango. Mir.«
»Schon klar.«
Sie schickten sich an, die Straße zu überqueren, blieben dann aber stehen, weil hinter ihnen eine Straßenbahn bimmelte. Der Zug fuhr ratternd vorbei und zog seinen Stromabnehmer unter den an Pfosten und Gebäuden hängenden Kabeln der Oberleitung entlang: grün, lang und leer bis auf Fahrer und Schaffner, der in Uniform auf der Plattform stand und sie anstarrte.
»Ich sehe eine dunkle Lagune in deinem Leben, Max ... Die Narbe und all das. Wie du nach Paris gekommen bist, und warum du es wieder verlassen hast.«
Ungutes Thema, dachte er. Aber vielleicht hatte sie ein Recht darauf. Zumindest danach zu fragen. Und das hatte sie bisher nicht getan.
»Das ist kein großes Geheimnis. Du hast die Narbe gesehen. Ich wurde in Afrika angeschossen.«
Sie wirkte nicht überrascht. Als hielte sie es für etwas ganz Alltägliches, dass auf Salontänzer geschossen wurde.
»Was hast du dort gemacht?«
»Du weißt doch, dass ich eine Zeit lang Soldat war.«
»Soldaten wird es an vielen Orten gegeben haben, denke ich. Wieso bist du ausgerechnet dort gelandet?«
»Ein wenig habe ich dir auf der Cap Polonio ja schon erzählt ... Es war bei diesem Massaker in Annual, in der Rif-Region. Nachdem schon Tausende umgekommen waren, brauchten sie Nachschub.«
Einen Moment lang überlegte Max, ob es möglich wäre, so komplizierte Angelegenheiten wie Ungewissheit, Grauen, Tod und Angst in wenigen Worten zusammenzufassen. Was offenkundig nicht ging.
»Ich dachte, ich hätte einen Mann getötet«, sagte er nüchtern, »und habe deshalb bei der Legion angeheuert. Später habe ich dann erfahren, dass er gar nicht tot war, aber da gab es schon kein Zurück mehr.«
»Ein Streit?«
»So was Ähnliches.«
»Wegen einer Frau?«
»So romanhaft war es nicht. Er schuldete mir Geld.«
»Viel?«
»Genug, um ihm sein eigenes Messer in den Leib zu rammen.«
Er bemerkte ein Funkeln in ihren Augen. Womöglich Wollust. Seit ein paar Stunden glaubte Max, dieses Funkeln zu kennen.
»Und warum die Legion?«
Er schloss die Augen und rief sich das violette Licht der Gassen und Innenhöfe von Barcelona ins Gedächtnis, die Furcht, einem Polizisten zu begegnen, das Misstrauen gegen seinen eigenen Schatten, das Plakat am Haus Carrer Prats de Molló Nummer 9: Allen vom Leben Enttäuschten, allen Arbeitslosen ohne Zukunft und Hoffnung: Ehre und Wohlergehen .
»Sie bezahlten drei Peseten pro Tag«, erklärte er. »Und man bekam eine neue Identität und war fortan unauffindbar.«
Wieder sah Mecha ihn mit leicht geöffnetem Mund an. Voller Neugierde.
»Nicht schlecht ... Du wirst Legionär und bist ein anderer?«
»So ungefähr.«
»Du musst noch sehr jung gewesen sein.«
»Ich habe gelogen, was mein Alter betraf. Es schien sie aber auch gar nicht so zu interessieren.«
»Tolles System. Nehmen die auch Frauen auf?«
Sie wollte von seinem übrigen Leben wissen, und Max schilderte ihr in knappen Worten einige der Stationen, über die er in den Tanzsaal der Cap Polonio gelangt war: Oran, den Vieux Port von Marseille und die schäbigen Pariser Kabaretts.
»Wer war sie?«
»Sie?«
»Na, deine Geliebte, die dir das Tangotanzen beigebracht hat.«
»Warum glaubst du, sie sei meine Geliebte und nicht meine Tanzlehrerin gewesen?«
»Manche Vermutungen drängen sich einfach auf. Deine Art zu tanzen ...«
Er schwieg eine Weile, während er darüber nachdachte; schließlich zündete er sich eine Zigarette an und erzählte ein wenig von Boske. Nur das Nötigste. In Marseille habe er eine ungarische Tänzerin kennengelernt und sei mit ihr nach Paris gefahren, wo sie ihm einen Frack gekauft habe. Dann seien sie im Le Lapin Agile und anderen drittklassigen Lokalen als Tanzpaar aufgetreten. Eine Zeit lang.
»War sie schön?«
Der Tabakrauch schmeckte bitter, und Max warf die Zigarette sofort in die
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