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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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dabei war. Oder vielleicht gerade weil er dabei war, dachte Max beunruhigt.
    »Sie ist ein anderer Typ«, sagte er so vorsichtig, als wäre er mit seiner Mauser und aufgepflanztem Bajonett im Nebel von Taxuda unterwegs.
    »Sicher«, sagte sie.
    Aus dem Augenwinkel warf Max einen Blick auf den Ehemann – sie duzten sich seit ein paar Stunden, auf Anregung de Troeyes – und fragte sich, wohin das alles führen sollte. Doch der Komponist schien sich ausschließlich für sein Ginglas zu interessieren, in das er fast die Nase tauchte.
    »Du bist größer«, erklärte er und schnalzte mit der Zunge. »Stimmt’s, Max? Und dünner.«
    »Meinen verbindlichsten Dank, Armando«, sagte sie. »Für die Genauigkeit.«
    Sie prostete ihrem Mann zu, übertrieben, fast grotesk artig,mit einem Hintersinn, den der Eintänzer nicht zu entschlüsseln vermochte; dann verfiel sie in Schweigen. Max fiel auf, dass de Troeye manchmal ins Leere starrte, die Augen gegen den Zigarettenrauch halb geschlossen, versunken in eine Tonfolge, die er allein hörte, wobei er Noten und Akkorde an den Fingern mitzählte und mit einer technischen Versiertheit auf den Tisch trommelte, die mitnichten an alkoholisierte Unbeholfenheit erinnerte. Während Max sich fragte, ob de Troeye tatsächlich betrunken war oder nur so tat, wanderte sein Blick zu Mecha und dann hinüber zu Rebenque und der Blonden. Die Musik war verstummt, und der compadrón wandte sich von der Frau ab und näherte sich mit seiner demonstrativen Lässigkeit wieder ihrem Tisch.
    »Wir sollten jetzt gehen«, riet der Eintänzer.
    Zwischen zwei Schlucken erwachte de Troeye aus seinen Träumen, um hoch erfreut seine Zustimmung kundzutun.
    »In eine andere Kneipe?«
    »Ins Bett. Dein Tango dürfte ja fast fertig sein ... La Ferroviaria hat dazu beigetragen, was sie konnte, mehr gibt sie nicht her.«
    Der Komponist erhob Einspruch. Rebenque, der sich zwischen das Ehepaar gesetzt hatte, blickte von einem zum anderen, im Gesicht ein Lächeln, das so künstlich wirkte, als wäre es aufgemalt, und bemühte sich, dem Gespräch zu folgen. Er wirkte dabei verdrossen, vielleicht weil niemand seinen gelungenen Tango mit der Blonden lobte.
    »Und was ist mit mir, Max?«, fragte Mecha.
    Verdutzt drehte er sich zu ihr um. Ihr Mund war leicht geöffnet, in ihrem Blick lag etwas Herausforderndes. Das Verlangen, so drängend, dass es schon an Raserei grenzte, ließ Max erschauern, und er wusste, dass er zu anderen Zeiten, in einem früheren Leben, imstande gewesen wäre, alle anderen ohne Zögern zu erschlagen, nur um mit ihr allein zu sein. Die Gier seines eigenen schwellenden Fleisches zubefriedigen, ihr das schweißfeuchte Kleid vom Körper zu reißen, das in der heißen, verrauchten Luft wie eine dunkle Haut an ihr klebte.
    »Vielleicht«, beharrte Mecha, »will ich ja noch gar nicht schlafen.«
    »Lasst uns nach La Boca fahren«, schlug de Troeye aufgekratzt vor und leerte das Glas, während sein Blick aus weiter Ferne zurückzukehren schien. »Und etwas finden, das uns wieder munter macht.«
    »Einverstanden.« Sie stand auf und nahm ihren Schal von der Stuhllehne, während ihr Mann die Brieftasche zückte. »Die hübsche, ordinäre Blonde nehmen wir mit.«
    »Das halte ich für keine gute Idee«, widersprach Max.
    Er und Mecha sahen einander streitbar an. Was zum Teufel hast du vor, fragte der Eintänzer stumm. Ihre Antwort war ein herablassender Blick. Du kannst mitspielen, las er darin. Karten aufnehmen oder aussteigen. Kommt ganz drauf an, wie neugierig oder mutig du bist. Und die Trophäe kennst du ja.
    »Im Gegenteil.« De Troeye zählte mit ungeschickten Fingern Zehn-Peso-Scheine. »Die junge Dame einzuladen ist eine ... absolut fabelhafte Idee.«
    Rebenque erbot sich, die Tänzerin zu holen und selbst auch mitzukommen, die Herrschaften hätten ja sicher ein Auto, das groß genug für alle sei, und er kenne in La Boca ein gutes Lokal. Casa Margot. Die besten Ravioli in ganz Buenos Aires.
    »Ravioli um diese Zeit?«, fragte de Troeye erstaunt.
    »Kokain«, übersetzte Max.
    »Da kriegen Sie alles«, ergänzte Rebenque verschwörerisch, »was Sie zum Munterwerden brauchen.«
    Er richtete sich mehr an Mecha und Max als an den Ehemann, als spürte er instinktiv, wer sein wahrer Rivale war. Der Eintänzer traute dem unentwegten Lächeln des Gaunersnicht. Weder mochte er den harschen Ton, mit dem er die blonde Frau herumkommandierte – ihr Name sei Melina, teilte er ihnen mit, und sie stamme aus Polen

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