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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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–, noch den Seitenblick auf Armando de Troeyes Brieftasche, die dieser wieder in der Innentasche seines Jacketts verstaute, nachdem er fünfzig Pesos herausgenommen und die zerknüllten Scheine, die ein üppiges Trinkgeld beinhalteten, auf den Tisch geworfen hatte.
    »Zu viele Leute«, murmelte Max, während er den Hut aufsetzte.
    Rebenque musste es mitbekommen haben, denn er widmete ihm ein langes, gekränktes, unheilverkündendes Lächeln. Scharf wie ein Rasiermesser.
    »Kennen Sie sich hier aus, Amigo?«
    Die subtile Korrektur der Anrede entging Max nicht. Vom Herrn zum Freund. Ohne Zweifel hatte die Nacht eben erst begonnen.
    »Ein bisschen«, antwortete er. »Drei Ecken weiter habe ich mal gewohnt. Ist lange her.«
    Der andere musterte ihn eingehend, besah sich die weißen Manschetten, die perfekt gebundene Krawatte.
    »Aber Sie klingen wie ein Spanier.«
    »Dafür musste ich auch viel üben.«
    Sie fixierten einander noch einen Moment lang schweigend mit dem gespielten Phlegma der Vorstadtmachos, dann schnippte Rebenque mit dem langen Nagel seines kleinen Fingers die letzte Asche von seinem Zigarrenstummel. Manche Dinge durfte man nicht überstürzen, das hatten sie beide in denselben Straßen gelernt. Max schätzte ihn auf zehn, zwölf Jahre älter. Vermutlich war er einer der Halbstarken im Viertel gewesen, die der kleine Max in seinem grauen Schulkittel und dem Bücherranzen auf dem Rücken um die Freiheit beneidet hatte, vor den Billardkneipen herumzuhängen, von hinten auf die Straßenbahnen der Compañía Eléctrica del Sud zu springen, um das Geld für die Fahrkarte zu sparen, wie Banditen dem Verkaufswagen von Águila-Schokolade aufzulauern und Schmalzhörnchen von der Theke der Bäckerei El Mortero zu klauen.
    »In welcher Straße, Amigo?«
    »Calle Vieytes. Gegenüber der Haltestelle der 105.«
    »Sag bloß«, grinste der andere. »Fast Nachbarn.«
    Die Blonde hakte sich bei Rebenque ein, und unter der weit aufgeknöpften Bluse wippten ihre Brüste mit professioneller Unbefangenheit. Sie hatte ein Umschlagtuch aus schlechtem Stoff, das einem Manila-Schal nachempfunden war, um die Schultern gelegt und starrte Max und die de Troeyes neugierig an, wobei sie die Augen weit aufriss und die zu einem dünnen Bogen gezupften, schwarz nachgezeichneten Brauen hochzog. Offensichtlich war sie froh, einmal aus La Ferroviaria herauszukommen und der Routine der Tangos zu zwanzig Centavos pro Tanz für eine Weile zu entgehen.
    »Auf in den Kampf«, rief de Troeye beschwingt, griff nach Hut und Stock und strebte leicht wankend zur Tür.
    Sie traten auf die Straße, Petrossi fuhr den Pierce-Arrow vor, und alle vier stiegen in den Fond der Limousine. De Troeye machte es sich hinten auf dem großen Sitz zwischen Mecha und der Bartänzerin bequem, Max und Rebenque nahmen vorne Platz. Zu diesem Zeitpunkt hatte Melina die Lage erfasst und begriffen, auf wessen Rechnung die Sause ging, also gehorchte sie brav den Anweisungen, die ihr Zuhälter ihr mit stummen Gesten erteilte. Max war spürbar angespannt und wägte das Für und Wider ab. Die Schwierigkeiten, in die sie geraten könnten, und wie sie da gegebenenfalls herauskämen, unversehrt und ohne eine Messerwunde in der Leiste. Wo, wie jeder aus der Vorstadt wusste, die verletzte Oberschenkelschlagader jeden Druckverband zwecklos machte.
    Es ist zweiundzwanzig Uhr vorbei, als die Partie unterbrochen wird. Draußen ist es dunkel, und in den großen Fenstern des Hotels Vittoria überlagern sich die Spiegelbilder des Salons mit den Lichtern der Villen und Hotels entlang der Steilküste. Max Costa, der unter den Zuschauern sitzt, betrachtet das große Holzbrett an der Wand, auf dem die Spielstellung angezeigt ist, nach Sokolows letztem Zug und bevor der Schiedsrichter an den Tisch getreten ist. Der Russe hat etwas auf einen Zettel gekritzelt, ihn in einen Umschlag gesteckt und ist aufgestanden und hinausgegangen, während Keller weiter die Stellung studiert hat. Nach einer Weile hat auch der Chilene etwas auf einen Zettel geschrieben, die Notiz in denselben Briefumschlag gesteckt, ihn zugeklebt und dem Schiedsrichter übergeben, dann ist er ebenfalls aufgestanden. Noch während Keller durch eine Seitentür verschwindet, bricht das Publikum sein Schweigen und beginnt zu murmeln und zu klatschen, und Max sieht sich verstört um und versucht zu verstehen, was sich da eben abgespielt hat. Von weitem sieht er Mecha Inzunza, die in der ersten Reihe zwischen der jungen Irina

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