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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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eine frage sich, was am folgenden Tag geschieht, der andere schlage sich mit dem Zweifel herum, ob der notierte Zug wirklich der bestmögliche sei, und ob sein Widersacher ihn bereits voraussehe und eine starke Riposte plane.
    »Das bedeutet«, fasst sie zusammen, »beim Abendessen, beim Frühstück und beim Mittagessen ständig ein kleines Reiseschachspiel neben sich zu haben, stundenlange Diskussionen mit den Assistenten, unter der Dusche daran zu denken, beim Zähneputzen und wenn du mitten in der Nachtaufwachst ... Das Schlimmste für einen Schachspieler ist eine Hängepartie.«
    »Wie unsere«, bemerkt Max.
    Mecha übersieht, wie gewohnt, den Aschenbecher, lässt die Asche achtlos auf den Boden fallen und führt die Zigarette wieder zum Mund. Das dämmrige Licht verjüngt ihre Haut, ihr Gesicht ist wieder schön. Die honigfarbenen Augen, dieselben wie in Max’ Erinnerung, lassen seinen Blick nicht los.
    »Ja, in gewisser Weise schon«, gibt sie zurück. »Auch das war eine Hängepartie ... Eine Partie in zwei Teilen.«
    In drei, dachte Max. Ein weiterer ist gerade im Gange. Aber er spricht es nicht aus.
    Als das Auto in der Dunkelheit zwischen der Calle Garibaldi und der Avenida Pedro de Mendoza hielt, wetteiferte ein junger, scheuer Mond mit dem rötlichen Schein einer Laterne, die durch die Bäume leuchtete. Nachdem sie ausgestiegen waren, näherte sich Max unbemerkt Mecha und fasste sie beim Arm, dann löste er den Verschluss ihres Perlencolliers, das er in seine Hand gleiten und in der Jackentasche verschwinden ließ. Er sah die erschrocken aufgerissenen Augen der Frau im fahlen Licht der fernen Straßenbeleuchtung und legte ihr zwei Finger auf die Lippen, damit sie nicht aussprach, was sie dachte. Während sich die anderen vom Auto entfernten, trat der Salontänzer ans offene Seitenfenster.
    »Verwahren Sie das«, sagte er leise.
    Wortlos nahm Petrossi die Kette entgegen. Die Schirmmütze beschattete sein Gesicht, sodass Max seinen Ausdruck nicht erkennen konnte. Nur den kurzen Blick, den der Chauffeur ihm zuwarf. Verständnisvoll, wie ihm schien.
    »Können Sie mir Ihre Pistole leihen?«
    »Klar.«
    Der Chauffeur öffnete das Handschuhfach und legte Max eine kleine schwere Browning in die Hand, deren vernickeltes Metall einen Moment lang aufblitzte.
    »Danke.«
    Als Max die anderen einholte, tat er, als nähme er Mechas erstaunten Blick nicht wahr.
    »Schlaues Bürschchen«, wisperte sie.
    Dabei hakte sie sich mit aller Selbstverständlichkeit bei ihm unter. Zwei Schritte vor ihnen pries Melina die wundersame Wirkung von Squibb-Äther, den man in der Apotheke kaufen könne und von dem man nur ein klein wenig in ein Glas geben und zwischen zwei Drinks daran schnüffeln müsse, um sich im siebten Himmel zu fühlen. Margots Ravioli allerdings – keckes Lachen, immerhin war man mittlerweile ja bestens befreundet – seien wirklich unübertrefflich. Falls die Herrschaften nicht etwas Stärkeres bevorzugten.
    »Was denn Stärkeres?«, wollte de Troeye wissen.
    »Opium, Amigo. Oder Haschisch, wenn Sie mögen. Sogar Morphium ... Es ist alles zu haben.«
    So überquerten sie die Straße und mussten aufpassen, nicht über die stillgelegten Eisenbahnschienen zu stolpern, über die das Gestrüpp wucherte. Max spürte in seiner Tasche das tröstliche Gewicht der Waffe und beobachtete von hinten den Zuhälter, neben dem Armando de Troeye so sorglos einherging, als spazierte er über die Calle Florida, den Hut in den Nacken geschoben, am Arm die Bartänzerin auf ihren klappernden Absätzen. Sie erreichten Casa Margot, ein ehemals vielleicht glanzvolles, inzwischen aber heruntergekommenes Gebäude, neben einem kleinen, jetzt geschlossenen Restaurant, in dessen Eingang Wäsche zum Trocknen hing und ein Teppich aus Krabbenschalen und Abfällen lag. Es roch muffig, nach Feuchtigkeit, Gräten und Fischköpfen, ranzigem Gebäck und dem Morast des Riachuelo, nach Teer und rostigen Ankern.
    »Die beste Bar in La Boca«, verkündete Rebenque, und Max glaubte, als Einziger die Ironie herauszuhören.
    Drinnen lief alles ohne überflüssige Etikette ab. Das Lokal war ein altes, zur Opiumhöhle umfunktioniertes Bordell und Margot eine ältere mollige Frau mit kupferrot gefärbtem Haar, die sich, nachdem der compadrón ihr ein paar Worte ins Ohr geflüstert hatte, vor Höflichkeit und Beflissenheit fast überschlug. An einer Wand des Vorraums bemerkte Max drei ungewöhnliche Porträts der Nationalhelden San Martín, Belgrano und

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