Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
schleifend wie Tangoschritte, als förderte die Habgier unwillkürlich seinen Dialekt zutage. »Eine wahre Zuckerschnecke.«
»Schon klar. Aber keine Bange. Sie werden entschädigt.«
Der andere schob seinen Hut ein wenig zurück und griff nach dem Zigarrenstummel, der hinter seinem Ohr steckte. In seiner Miene lag noch immer Misstrauen.
»Mein Ehrenwort«, wiederholte Max.
Wortlos bückte sich Rebenque und riss ein Streichholz an seiner Schuhsohle an. Durch die erste Rauchwolke hindurch sah er Max wieder forschend an. Max schob eine Hand in die Hosentasche und fühlte die Browning.
»Sie könnten unten etwas trinken,« schlug er vor, »schöne Musik hören und eine gute Zigarre rauchen. In aller Seelenruhe ... Und später sehen wir uns dann wieder.«
Rebenque schielte auf die Hand in der Tasche.
»Ich bin ein bisschen knapp, Amigo. Lassen Sie im Voraus mal was sehen.«
Max nahm ruhig die Hand aus der Tasche. Neunzig Pesos. Das war alles, was er noch hatte, abgesehen von den vier Fünfzigern hinter dem Spiegel im Zimmer seiner Pension. Rebenque steckte das Geld ein, ohne es zu zählen, und gab ihm die sechs Kokaintütchen. Drei Pesos das Stück, sagte er gleichmütig, und das Haschisch gehe aufs Haus. Abrechnen würden sie hinterher. Komplett.
»Viel Backpulver?«, fragte Max und schaute auf die Ravioli.
»Normal.« Der Halunke klopfte sich mit dem langen Nagel seines kleinen Fingers an die Nase. »Geht aber ganz weich rein. Wie geschmiert.«
»Lass dich von ihr küssen, Max.«
Der Salontänzer schüttelte den Kopf. Er stand mit korrekt geknöpfter Jacke an die Wand gelehnt neben einem der türkischen Diwane und dem Fenster, das sich auf die nächtliche Via Garibaldi öffnete. Der aromatische Haschischrauch, der sich in sanfte Spiralen auflöste, zwang ihn, die Augen zuzukneifen. An der Zigarette in seiner Hand hatte er nur einmal kurz gezogen.
»Sie sollte lieber deinen Mann küssen. Er gefällt ihr besser.«
»Einverstanden«, lachte Armando de Troeye, das Glas anden Lippen, und kippte den Champagnerrest hinunter. »Soll sie mich küssen.«
Der Komponist saß auf dem anderen Diwan, in Weste und Hemdsärmeln, mit gelockerter Krawatte, die Manschetten hochgeschlagen, die Jacke einfach auf den Boden geworfen. Die Schirme der Kerosinlampen tauchten den Raum in ein grünliches Dämmerlicht, das der Haut der beiden Frauen einen fast öligen Schimmer verlieh. Mecha saß neben ihrem Mann, in die Kissen aus falschem Damast gelehnt, die Arme entblößt, die Beine übereinandergeschlagen. Sie hatte die Schuhe ausgezogen, und ab und zu führte sie ihre Haschischzigarette zum Mund und atmete tief ein.
»Küss ihn, mach schon. Küss meinen Mann.«
Melina stand zwischen den beiden Diwanen. Bis eben hatte sie eine Art Tanz vollführt, ungefähr im Rhythmus der Musik von unten, die man durch die geschlossene Tür schwach hören konnte. Sie war barfuß, benommen vom Haschisch, und hatte die Bluse über ihren Brüsten aufgeknöpft. Ihre Strümpfe und die Unterwäsche bildeten kleine schwarze Seidenknäuel auf dem Teppich, und als sie ihren lasziven Tanz beendet hatte, hielt sie ihren engen, verwegen geschlitzten Rock weiterhin mit beiden Händen hoch über die Schenkel gezogen.
»Küss ihn«, beharrte Mecha. »Auf den Mund.«
»Ich küsse nicht auf den Mund«, wehrte sich Melina.
»Ihn schon, los ... Oder du verschwindest.«
De Troeye lachte, und die Tänzerin ging auf ihn zu, setzte sich rittlings auf ihn, strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht und küsste ihn. Diese Haltung zwang sie, den Rock noch höher zu ziehen, und das grünliche, ölige Licht der Kerosinflamme glitt über ihre nackten Beine.
»Du hattest recht, Max«, sagte der Komponist boshaft. »Ich gefalle ihr besser.«
Seine Hände liebkosten ihre Brüste unter der Bluse. Aufdem Tisch lagen bereits zwei geöffnete Kokainpäckchen, und der Komponist wirkte hellwach, trotz der Menge Alkohol, die er mittlerweile im Blut hatte. Sein Rausch äußerte sich höchstens, wie der Salontänzer mit kundigem Blick feststellte, in einer gewissen Plumpheit der Bewegungen und einer leicht stammelnden Redeweise.
»Willst du das wirklich nicht probieren?«, fragte de Troeye.
Max lächelte spröde.
»Später ..., später vielleicht.«
Mecha schwieg, die Zigarette im Mund, und wippte mit einem ihrer nackten Füße. Max bemerkte, dass sie weder Melina noch de Troeye ansah, sondern ihn, als wäre es ihr vollkommen gleich, was sich zwischen ihrem Mann und der
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