Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Rivadavia, als hätte man dem Haus, als es noch für andere Zwecke genutzt wurde und über eine erlesenere Kundschaft verfügte, einen achtbaren Anstrich geben wollen. Ansonsten aber war es mit der Achtbarkeit an diesem Ort nicht weit her: Der Flur im Erdgeschoss erweiterte sich zu einem verräucherten, dunklen Raum, der von alten, stinkenden Öllampen erleuchtet wurde. In der Luft hing ein Dunst aus Kerosin, dem Insektenmittel Bufach, Tabak- und Haschischrauch, von dem die Stoffe der Vorhänge und Möbel durchdrungen waren, und dazu kam der Schweiß etlicher Paare – einige bestanden aus zwei Männern –, die sehr langsam tanzten, eng umschlungen und fast auf der Stelle, gleichgültig zu welcher Musik. Für die Musik war ein junger Chinese zuständig, der mit seinen spitz zulaufenden Koteletten aussah wie der Verräter in einem Film und das Grammophon bediente, indem er die Platten auflegte und an der Kurbel drehte. Casa Margot schien, genau wie Max befürchtet hatte, einer dieser Orte, wo bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit Stilette und Klappmesser aus Westen, Gürteln, Hosen und sogar Schuhen gezogen werden konnten.
»Herrlich urwüchsig«, schwärmte de Troeye.
Auch Mecha schien das Lokal zu gefallen. Sie betrachtete alles mit einem unbestimmten Lächeln, strahlenden Augen und halboffenem Mund, als erwachten ihre Sinne in diesem Ambiente zu neuem Leben. Wenn sich ihr Blick gelegentlichmit dem des Salontänzers kreuzte, schien sie vor Erregung, Dankbarkeit und Verheißung zu sprühen. Mit einem Mal wurde Max von heftigem körperlichem Verlangen gepackt. Voller Begierde starrte er aus unmittelbarer Nähe auf Mechas Hüften, als die Wirtin sie alle eine Treppe hinauf ins obere Stockwerk führte. Dort befand sich ein im türkischen Stil eingerichtetes Zimmer mit Teppichen voller Brandflecken und zwei großen Diwanen, erleuchtet von zwei grünen Ölfunzeln auf einem niedrigen Tisch. Ein hünenhafter Kellner mit Mittelscheitel, der aussah wie ein Kraftprotz vom Jahrmarkt, brachte sogenannten Champagner und zwei Päckchen Zigaretten, und sie ließen sich auf den Diwanen nieder, mit Ausnahme von Rebenque, der mit Margot verschwand, um, wie er schmunzelnd meinte, Futter für die Kanarienvögel zu besorgen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Max bereits einen Entschluss gefasst und trat hinaus auf den Flur, um auf ihn zu warten. Von unten war die Melodie von Caminito del taller zu hören, die die Grammophonnadel aus den Rillen der Schellackplatte kratzte. Kurz darauf kehrte der compadrón zurück und brachte Zigaretten, deren Tabak mit Haschisch vermischt war, und sechs ordentlich gefaltete Wachspapierbriefchen zu je einem halben Gramm.
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten«, sagte Max. »Von Mann zu Mann.«
Der Halunke taxierte ihn argwöhnisch. Das unverwüstliche Lächeln unter seinem Kreolenschnauzer gefror ihm auf den Lippen.
»Ich bin schon länger mit der Dame zusammen«, erklärte Max resolut. »Und ihr Mann hat ein Auge auf Melina geworfen.«
»Und?«
»Fünf ist eine ungerade Zahl.«
Rebenque schien zu überlegen, was gerade und ungerade Zahlen waren.
»Na, hören Sie mal«, sagte er schließlich. »Sie halten mich wohl für blöd, Amigo.«
Der unwirsche Ton verunsicherte Max nicht. Noch nicht. Im Moment waren sie nur zwei Vorstadthunde, einer mehr, einer weniger gut gekleidet, die sich in einer Gasse beschnupperten. Die Einigung lag auf der Hand.
»Es wird alles bezahlt«, sagte Max, mit Betonung auf alles , wobei er auf die Tütchen und das Haschisch wies. »Das und das andere. Bis er blank ist.«
»Der Mann stinkt vor Geld«, sagte Rebenque sinnend, indem er den Gedanken weiterspann. »Haben Sie seine Stiefel gesehen? Parismäßig. Ein Idiot, dem die Gülle aus sämtlichen Poren quillt.»
»Er wird mit leerer Brieftasche ins Hotel zurückkommen. Sie haben mein Wort.«
Der letzte Satz schien dem anderen zu gefallen, und er sah Max mit frischem Interesse an. In Barracas oder La Boca verstand jeder, was es hieß, sein Wort zu verpfänden. Das hatte hier mehr Gewicht als in Palermo oder Belgrano.
»Was ist mit der Perlenkette der Dame?« Der compadrón berührte das weiße Tuch, das er anstelle einer Krawatte um den Kragen gebunden hatte. »Sie hat sie nicht mehr um.«
»Sie wird sie verloren haben. Aber das lassen wir außen vor, denke ich. Das ist was anderes.«
Der Zuhälter sah ihm in die Augen.
»Melina ist ein teures Törtchen ..., die kostet dreißig pro Nacht.« Die Silben kamen
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