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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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paar anderen Soldaten beim Polizisten, der inzwischen ebenfalls aufgesprungen ist und die Hand an seiner Waffe hält, Wirkung zeigen, das könne er vergessen, versichern sie ihm, da seien sie sich ganz sicher, und man sei einer von ihnen, und der ältere Soldat gibt dem Polizisten den Schlüsselbund und bedeutet einem mit strengem Blick, man solle sich wieder setzen. Die Soldaten links und rechts lassen einen los und man schnappt sich den Stuhl vom Boden und setzt sich wieder, und die Soldaten ebenfalls und zuletzt auch der Polizist.
    Er überspielt den Schreck und seinen Frust darüber, dass er nicht schnell genug hätte reagieren können, tut so, als hätte der ältere Soldat die Schlüssel nicht abfangen müssen, und bedankt sich nicht einmal mit dem kleinsten Nicken bei diesem, der kleine Wichser, denkt man; er hätte sie selbst gefangen, die Schlüssel, sagt seine Haltung, nur eine Millisekunde später, was natürlich Schwachsinn ist, und alle am Tisch sehen die blutige Lippe, die er sich eingefangen hätte, und das macht ihn nur noch wütender, aber er weiß, dass er nicht ausrasten darf, soll die Fassade nicht zerbröckeln.
    »Mal sehen, was im Auto ist«, sagt er. »Na los, wird’s bald!«
    Er steht auf, geht zur Tür, öffnet sie und man folgt ihm hinaus in die kühle Abendluft, begleitet von Blicken, die einem deutlich sagen: Mach keinen Scheiß! Immer schön locker bleiben!
     
    »Hast Glück, dass er die Schlüssel gefangen hat!«, zischt der Polizist draußen und man ignoriert ihn und antwortet nicht, geht, high vom Adrenalin, neben ihm her und atmet die Meeresluft, die man mit jeder Faser seines Körpers vermisst hat, so tief ein, dass einem fast die Lungen platzen, und man schaut hinaus auf das vom Mond erhellte, spiegelglatte Meer, das einen Frieden ausstrahlt, wie ihn das Land für die nächsten fünf Jahre nicht mehr erleben wird, und |50| man vergisst den Polizisten, bis man mit ihm vor dem kleinen Wagen steht.
    Der Polizist fixiert einen, als er mit der linken Hand nach dem richtigen Schlüssel fummelt, die Rechte am Pistolengriff; man spürt, wie gern er einen erschießen würde, und man denkt zurück, so dass er es fühlen kann: Vermutlich nicht so gerne, wie man seinen Kopf bei Gelegenheit zwischen Tür und Türrahmen zerquetschen würde. Die gesendeten Wellen kommen an, und er befiehlt einen zwei Meter vom Wagen weg, wo man die frische Luft die Wut kühlen lässt und den Soldaten beruhigend zuwinkt, die vor dem Haus stehen und zuschauen – aus gutem Grund.
     
    Man traut seinen Ohren nicht, als er einem über die Fahrertür hinweg die Mineralwasserflasche zuwirft, die irgendwo zwischen Bologna und Venedig doch noch sein musste, weil man sonst schlicht dehydriert und am Steuer abgekratzt wäre und es nie bis zu Thelma und Louises Grand Canyon und dem Sprung über die Grenze geschafft hätte, und einen fragt, ob das Wasser sei. Man bejaht: »Was denn sonst?« Und er befiehlt, man solle einen Schluck nehmen, sonst glaube er einem nicht – es könnte ja auch Säure sein.
    Man lacht ihm ins Gesicht und wirft die Flasche zurück.
    »Klar, Säure!«, spottet man, und er fängt die Flasche unbeholfen, öffnet sie, leert einem den Inhalt vor die Füße und wirft Deckel und Flasche hinter den Fahrersitz. Die Rechte an der Pistole droht er: »Keinen Schritt oder ich knall dich ab wie einen Hund!« Man lacht wieder, und er beginnt damit, den Innenraum zu durchsuchen, sieht in jeden Spalt, öffnet jedes Fach, und als er Papierchen für Joints findet, kriecht er aus dem Wagen, stellt sich nahe vor einem auf und fragt, plötzlich ganz lieb und leise, ob man was zu kiffen habe, der Schlaumeier.
    »Nein«, antwortet man und er kommt noch näher, zu nahe, nahe genug für einen Kopfstoß, und als er die Frage wiederholt und sagt, er habe seit einem Monat nichts mehr zu kiffen gehabt, weiß man, |51| dass es keine Falle ist und er tatsächlich liebend gern ein Stück Hasch oder ein paar Krümel Gras in die Finger bekommen und kein Wort darüber verlieren würde, richtig frustriert ist er, als man insistiert. Dummerweise liegen auf der Ablage drei Sonnenbrillen (die eigene, die zweite vom Bruder und die dritte, die vor Jahren vermutlich mal der Mutter gehört hat und sich aus denselben Gründen im Auto befindet wie Winnetous Murmel). Und er nimmt sich eine, aus Trotz und wegen dem nicht vorhandenen Hasch oder weil er glaubt, er dürfe das sowieso, und natürlich ist es die eigene Brille, und er fragt pro forma,

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