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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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-Redaktion, das kann doch nicht wahr sein.« Und dann kam der Abschuss beim letzten deutschen Spiel, als sich die Mannschaft gegen Italien ins Aus gesungen und gespielt hat. Die Großmutter aller Niederlagen! Wir hatten als Gäste in Leipzig: Til Schweiger, den neuen ARD - Tatort -Kommissar! Anne Will, die ARD -Vorzeigetalkfrau! Die deutsche Mannschaft war nach der Niederlage völlig down, keiner traute sich aus der Kabine raus, wir hatten im Ersten keine Stimmen, keine Interviews. Die ARD war blitzeblank, Beckmann und sein Mehmet hatten schlichtweg nichts mehr zu senden. Also hat man uns aus Warschau angerufen: »Wir haben nichts mehr, könnt ihr früher auf Sendung gehen?«
    Natürlich konnten wir früher auf Sendung gehen, wir waren ja alle da und startbereit. Aber ich habe auch ganz klar zu Warschau gesagt: »Wir bleiben bei unseren fünfundvierzig Minuten, wir gleichen die Zeit nicht aus. Was nach fünfundvierzig Minuten nicht gesagt ist, braucht kein Mensch mehr.« Und was ist dann passiert? Statt einer Viertelstunde früher sind wir sogar noch eine Viertelstunde später auf Sendung gegangen. Einige hundert Leute saßen bei uns beim Public Viewing und haben gewartet, bis Reimgold Beckmann endlich damit fertig war, die Niederlage gegen Italien zu beweinen – saßen da und übten sich in Geduld. Wir hatten Til und Will, die geduldig auf ihren Einsatz warteten. Aber mir war auch klar: EM -Aus gegen Italien am Donnerstagabend, ganz Deutschland geschockt, und Mitternachts-Waldi geht um Vier tel vor zwölf auf Sendung. Wer da noch zuschaut, wenn er am nächsten Morgen um halb sieben aus den Federn muss, der braucht eine robuste Konstitution. Denn nach Niederlagen, das lehrt die Erfahrung, wollen die Leute ins Bett. Nach Siegen, ganz egal gegen wen, egal ob gegen Brasilien oder gegen Blau-Weiß Buxtehude, bleiben sie dran. Und wenn es bis nachts um halb drei dauert.
    In dieser halben Stunde, in der Reinhold Beckmann wortreich den fußballerischen Volkstrauertag ausrief, in diesen dreißig Minuten, in denen ich Stand-by auf meinen Einsatz wartete, zusammen mit sechshundert Gästen beim Public Viewing im Bayerischen Bahnhof, bin ich dagesessen und habe nachgedacht. Wir hatten diese Traumgäste hier, und Simon wies lediglich auf unseren angeblichen Sendebeginn um halb zwölf hin. Kein Wort von Til und Will.
    In dieser halben Stunde wusste ich: Game over. Weißt was, Hartmann, die wollen dich nur noch ärgern. Und da habe ich für mich entschieden: Das war’s. Meinen Vertrag bis 2013 hatte ich sicher. Aber es war meine Entscheidung zu sagen: Ihr könnt mich mal. Und zwar gernhaben. In diesen Minuten wurde mit klar: Ich nehme das Angebot der ARD nicht an. Und deshalb war mein letzter Satz in der Sendung auch: »Liebe Zuschauer, das war’s mit Waldis Club .« Keiner der Zuschauer oder der Leute aus unserem Team wusste, wie das gemeint war. Nur meine Frau zu Hause hat es sofort kapiert. Die hat mich nach der Sendung angerufen und gesagt: »Waggala, habe ich das richtig verstanden?« Und ich zurück: »Ja, hast du.« Denn es war alles auserzählt, was es zu erzählen gab. Mein Frust an diesem Abend war mit dem Frust der Nationalmannschaft drüben in Warschau locker zu vergleichen.
    Klar: Wenn mir die ARD -Direktoren eine Woche später eine Verlängerung bis 2014 angeboten hätten, hätte ich das natürlich gemacht, da müssen wir nicht drüber reden. Haben sie aber nicht. Für mich war die Marschrichtung von WDR -Intendantin Monika Piel und von RBB -Intendantin Dagmar Reim ganz klar: Weg, und zwar endgültig. Was natürlich auch mit dem Jugendwahn zu tun hat, der im deutschen Fernsehen derzeit grassiert. Alles, was Falten hat, muss weg – vom Bergdoktor bis zum Hartmann. Für mich sind solche Entscheidungen ein Schlag ins Gesicht der älteren Generation, für alle Übersechzigjährigen, die sich noch geistig und körperlich fit fühlen. Und der Gag daran: Kaum eine andere ARD -Sendung hatte bei der verherrlichten sogenannten Zielgruppe von vierzehn bis neunundvierzig so gute Quoten wie mein Club . Das Erste hechelt verzweifelt den jungen Zuschauern nach, verbrennt Millionen für erfolglose Vorabendformate – und wir beim Club hatten dieses begehrte junge Publikum. Das ist ihnen dann auch wieder nicht recht.
    Ich werd’s nie kapieren.
    Für meine Frau und mich war die Situation sonnenklar: Hier ist die Waage – auf der einen Seite das Geld, das wir jetzt für das eine Jahr Club und fürs ARD -Boxen nicht kriegen werden.

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