Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
des zuständigen MDR , hat das Format hingegen als »großartig« gelobt und versprochen, alles zu tun, damit Sie bleiben.
HARTMANN: Das hat er auch getan. Sieben der neun Fernsehdirektoren haben zugestimmt. RBB und WDR waren, wie ich hörte, dagegen. Bereits während der EM hatte mich WDR -Sportchef Steffen Simon auflaufen lassen. Üblich ist es, dass der Kommentator in der 80 . Spielminute ordentlich Werbung macht für »Waldis Club« im Anschluss. An dem Abend, an dem er im Einsatz war, hatte ich Spitzengäste: Anne Will, den künftigen »Tatort«-Kommissar Til Schweiger und Fredi Bobic. Die hätte man groß anpreisen können. Steffen Simon sagte stattdessen einfach: 23 . 30 Uhr, »Waldis Club«. Ohne einen dieser Top-Namen zu nennen!
Der Spiegel: Neigen Sie zu Verschwörungstheorien?
HARTMANN: Die Fakten sind doch klar. Zugegeben, Simon und ich waren noch nie die besten Freunde, das kommt im Leben schon einmal vor. Es trifft mich nicht persönlich, aber es ist bizarr, dass er ein Format der ARD so beschädigt. Das hat angefangen mit dem Pressetermin, bei dem der WDR die EM -Berichterstattung des Ersten präsentierte und zu dem Moderator und Redaktion von »Waldis Club« nicht eingeladen waren.
Der Spiegel: Die ARD will weg von ihrem Weißbier-Duz-Sport journalismus?
HARTMANN: »Waldis Club« war ein Stammtisch von und für Fußballfans und kein »Literarisches Quartett«. Aber wenn das der ARD zuwider gewesen wäre, hätte sie’s schon früher sagen können. Immerhin läuft die Sendung seit sechs Jahren in der gleichen Machart.
Der Spiegel: Wird man Sie künftig auf einem Nischensender sehen oder neben Harald Schmidt im Pay- TV ?
HARTMANN: Ich schiele nicht nach anderen Sendern, ich gehöre immer noch zur ARD . Mein Vertrag als Boxmoderator läuft bis Ende des Jahres. Außerdem gehe ich bald mit meinem Soloprogramm »Born to be Waldi« auf Tour und schreibe meine Memoiren. Da ist ja gerade noch ein schönes Kapitel dazugekommen.
Nach meinem Nein zur Club -Verlängerung und nach diesem Interview hat keiner der ARD -Verantwortlichen bis zum Abschied in Nürnberg auch nur ein Wort mehr mit mir gesprochen. Die Entscheidung, auch den Boxvertrag nicht zu verlängern, habe ich aus dem Internet erfahren, von der Medienwebsite dwdl.de . Die haben mich angerufen: »Herr Hartmann, was sagen Sie dazu?« Keine Ahnung, ich konnte nichts dazu sagen, denn ich wusste ja von nichts. Alexander Krei von dwdl.de hat mir dann den Text vorgelesen. Auch dafür vielen Dank noch mal, liebes Erstes. So geht man nach dreiunddreißig Jah ren nicht miteinander um, so geht man nicht einmal nach zwei Jahren miteinander um. So geht man überhaupt nicht miteinander um. Mit Stil hat das nichts zu tun.
Das war das endgültige Ende, für mich aber mit einem Gefühl der Befreiung verbunden. Es ist keine Phrase, wenn ich sage, ich hatte und habe einen Traumberuf, einen Beruf, der für mich eine Berufung war, kurzum: ein erfülltes Leben. Mehr kannst du nicht verlangen.
Ich habe fast fünfunddreißig extrem gute Jahre mit wunderbaren Erlebnissen hinter mich gebracht. Ich habe gutes Geld verdient. Und wenn ich mir vom lieben Gott etwas wün schen könnte, würde ich ihm sagen: »Lieber Gott, ich möchte das noch einmal machen, noch einmal erleben.« Eine Handvoll Menschen bei der ARD müssten ja nicht unbedingt ein zweites Mal mit dabei sein. Und jetzt beim Frühstück zu sitzen und zu wissen, ich habe keine Fernsehsendung mehr – das ist viel leichter, als es sich viele supertalentierte Kollegen denken, die partout nicht loslassen können. Ihnen kann ich nur zurufen: Probiert es aus! Das Leben macht auch Spaß, wenn man seine Nase nicht mehr in die Kamera hält. Und es macht umso mehr Spaß, wenn man nicht mehr auf die mor gendliche Zeugnisverteilung warten muss, auf die Quoten von ARD -Videotextseite 447 .
Wir alle sollten uns immer wieder klarmachen: Fernsehen ist endlich. Auch für Peter Frankenfeld, Peter Alexander, Rudi Carrell oder Kuli ging irgendwann die letzte Kamera aus – und die Welt hat sich weitergedreht. So war es bei Johannes B. Kerner, der in wenigen Jahren vom ZDF -Gesicht schlechthin zu Deutschlands bekanntestem Moderator ohne Sendung wurde. Sat. 1 hatte gehofft, dass Johannes seine ZDF -Zuschauer mitzieht, aber das ZDF -Publikum wollte kein Sat. 1 sehen, und die Sat. 1 -Zuschauer konnten mit Kerner nichts anfangen. Und im Zweiten hat plötzlich Lanz gekocht, und es hat auch nicht schlechter geschmeckt. Genauso war es
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