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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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langjährigen Fußballtalksendung »Waldis Club« war bei der EM meist negativ: Sie gelten als »enthemmter Moderator« ( S Z ), der »Igno ranz, Großmannssucht und Sportchauvinismus« praktiziert ( FA S ).
    HARTMANN: Was soll ich dazu noch sagen? Kaum einer von den Kollegen hat auch nur eine Minute mit mir telefoniert, um seine Sicht der Dinge mit meiner abzugleichen.
    taz: Aber doch wohl zugeschaut.
    HARTMANN: Das ist pure Effekthascherei. Da wird genau der polternde Haudraufjournalismus selbst produziert, der kri tisiert wird.
    taz: Man hat Sie auch schon als »Kumpeleiqualle« und »Duzdudelsack« beschimpft. Was erregt uns Qualitätsjournalisten so, dass wir derart unsere Kinderstube verlieren?
    HARTMANN: Ich weiß es nicht, da fragen Sie den Falschen. Es ist jedenfalls die gleiche Klientel, die aufschreit, wenn Robert Enke sich vor einen Zug wirft, wie unmenschlich alles sei und dass wir innehalten müssten und anders miteinander umgehen. Und im selben Atemzug haut sie selbst drauf. Und bedenkt nicht, dass auch ich eine Familie habe und Menschen, die mir nahestehen.
    taz: Liegt der Kritik am »Weißbier-Duz-Sportjournalismus« ein Missverständnis zugrunde, dass es gar kein Journalismus sein will, sondern Unterhaltung?
    HARTMANN: Sport ist im Prinzip Unterhaltung. Und bei einem Großturnier wie WM und EM sind manchmal drei Spiele am Tag, und davor, dazwischen und danach werden die Leute bis ins Detail fachlich aufgeklärt. Diejenigen, die das alles angeschaut haben, kannst du nachts um halb zwölf nicht wachhalten, indem du noch mal Kreise um Spieler malst, die zu weit weg vom Gegner standen. Die erreichst du nur emotional.
    taz: Würden Sie sagen, das ARD -Duo mit Moderator Beckmann und Exprofi Mehmet Scholl ist journalistisch-kritische Analyse und »Waldis Club« dann Unterhaltung?
    HARTMANN: Ich würde den Scholli auch in die Kategorie Unterhaltung stecken. Weil er amüsant ist und eine ganz eigene Farbe in das Programm bringt.
    taz: Wenn nun aber der Fachanalytiker Scholl schon süffisant sagt, dass der laufschwache Stürmer Gomez sich »wundgelegen« habe …
    HARTMANN: … haben wir es schwer, das noch zu toppen.
    taz: Erstens das und zweitens: Das ist nicht fachlich, sondern völlig unangemessen.
    HARTMANN: Das war der einzige Satz, der ihm misslungen ist. Ein klassischer Scholli. Da stürzen sich wieder alle drauf. Würde er ihn nicht bringen, dann wäre er nicht Scholl.
    taz: Sind Sie Journalist oder Entertainer?
    HARTMANN: Unterhaltender Journalist.
    taz: Es gibt diverse Interviewschulen bis hin zur provozierenden Unverschämtheit. Sie behandeln die Interviewten immer sehr freundlich. Was ist Ihr Konzept?
    HARTMANN: Ich habe in meiner Redaktionsleiterzeit immer gesagt: Jungs, mit nassforschen und aggressiven Fragen kommt ihr nicht weiter, da sperrt ihr euer Gegenüber zu.
    taz: Schmusen kann es ja auch nicht sein.
    HARTMANN: Nein, aber er muss sich in dem Frage-Antwort-Spiel schon wohlfühlen. Und dann kriege ich auch etwas raus. Das ist so ein Wahn, dass Fragen nur für die Redak tionssitzung am nächsten Tag gestellt werden, auf der dann gesagt wird: Toll nachgehakt, super. Aber dass nichts dabei rausgekommen ist, wird übersehen. Ich habe gesagt: Was wird dann am nächsten Tag nachgedruckt? Eure Fragen doch nicht. Nur die Antworten werden gedruckt, und zwar dann, wenn was Gescheites rauskommt.
    taz: Einerseits nimmt die Unterhaltungsfunktion zu, andererseits gibt es eine Verfachlichung des Sprechens über Fußball – ist Letzteres ein Fortschritt?
    HARTMANN: Nein, es ist eine Pseudoverwissenschaftlichung. Diese Rhetorik wurde offenbar an der Sporthochschule in Köln erfunden. Raumorientiertes Gegen-den-Ball-Spielen und vertikal in die Schnittstelle: Diese Verwissenschaftli chung der Fußballlehrersprache hat für meinen Geschmack etwas Oberlehrerhaftes. So möchte ich nicht über Fußball sprechen.
    taz: »Waldis Club«-Analysten neigen nicht gerade zu tiefschürfender Fachanalyse.
    HARTMANN: Weil es die tiefschürfende Fachanalyse gar nicht braucht, von der Sie sprechen. Weil Fußball leicht erklärbar ist, weil man ein paar Dinge ganz normal erklären muss.
    taz: Die Frage ist: Gehört das zum Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen – den Stammtisch zu reproduzieren?
    HARTMANN: Als was würden Sie denn den »Presseclub« in der ARD bezeichnen? Auch taz -Redakteure scheinen sich an diesem Stammtisch wohlzufühlen.
    taz: Sie werfen Fernsehprogrammdirektoren und Feuilletonisten vor, dass die sich

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