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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und dort stampfte sie riesige Buchstaben in den Schnee, Lettern von drei Meter Höhe und zwei Meter Breite. Weißt du, was sie da schrieb – was man aus der Luft lesen konnte? JILL WILL WEG . Jill wollte hier weg. Kannst du dir vorstellen, wie mich das gedemütigt hat?« Er ging zum Ofen, um sich Kaffee nachzuschenken, und er hob sich sogar die Tasse an die Lippen, aber dann setzte er sie wieder ab. »Eine Woche danach landet eine Cessna 180 mit Kufen auf dem zugefrorenen Fluß, und wer war’s? Joe Bosky. Der Kerl klopft an die Tür und fragt: ›Habt ihr hier irgendwelche Probleme?‹«
    »Und damit war’s dann wohl aus mit Jill?«
    Er sprach jetzt ganz leise, seine Stimme hatte alle Härte verloren: »Ich hab sie danach nie wiedergesehen.«
    Die Sonne schwand von der Wand. Aus dünner Ferne drang das Heulen eines Wolfs, das in einem fieberhaften Glissando verklang, ehe die Hunde es aufnahmen. Sie sah sie draußen vorm Fenster, an den Ketten zerrend, die Schnauzen himmelwärts gerichtet, und die Laute, die sie ausstießen, waren unharmonisch und primitiv, es lag ein tiefer, unstillbarer Kummer darin, der Kummer von Pflock und Kette und Geschirr. Darauf sagte Sess etwas, aber sie hörte die Worte nicht recht, nur ihren Klang, bis er wiederholte: »Mußt du denn wirklich wieder gehen?«
    »Ich hab’s versprochen«, sagte sie.
    »Zum Teufel mit deinem Versprechen«, wandte er ein, und die Hunde jaulten dazu so klagend, daß der Wolf auf seinem Berg bestimmt grinsen mußte.
    »Howard Walpole«, begann sie, aber Sess schnitt ihr das Wort ab.
    »Howard Walpole ist Scheiße«, sagte er, »und du weißt das, und ich weiß das. Ich bin der Richtige. Sag mir, daß ich’s bin.«
    »Es sind doch nur drei Tage«, sagte sie. Er blickte sie nicht mehr an. Er sah auf die Kaffeekanne, sah auf die Wand. Die Hunde heulten. »Drei Tage, Sess. Dann weiß ich es hundertprozentig.«

9
    Wie ein Scherenschnitt vor der braunen Böschung und der Ansammlung von Hütten und Häuschen, die sich zum Uferblick auf Boynton zusammenfügten, stand Howard Walpole wie angewurzelt in Gummistiefeln und einer Arbeitshose voller Fettflecken am Wasser. Als sie um die Biegung des breiten Flusses vor der Ortschaft kamen, erwartete er sie schon, und so, wie er aussah, konnte sich Sess gut vorstellen, daß er schon stundenlang dort gewartet hatte, obwohl das Treffen für zwölf Uhr mittags ausgemacht war, und es konnte nicht viel später als Viertel nach elf oder halb zwölf sein. Es war ein ungemütlicher Tag, bedeckt und bedrückend. Der Fluß hatte die Farbe des Himmels, und der Himmel hatte die Farbe des Rostschutzvoranstrichs, wie man ihn oft auf Pickups und Kombis sieht, die dann doch ewig auf den Segen der Lackierung warten. Es nieselte. Die Luft roch verdorben, als wäre alles, was im Wasser, im Wald und am Himmel kreuchte und fleuchte, mit einemmal verreckt und der Verwesung anheimgefallen.
    Den ganzen Weg über hatte Pamela im Kanu fröhlich über dieses und jenes geplaudert – über den Elch im flachen Wasser, eine Explosion auffliegender Enten, die Fußkrankheiten ihrer Mutter und den nichtsnutzigen Freund ihrer Schwester –, aber wenn er darauf mehr als sechs Worte geantwortet hatte, wäre das viel. Er war sauer, sauer und mies gelaunt, und es scherte ihn wenig, wenn sie das spürte. Er paddelte mit voller Kraft, setzte auf den letzten zweihundert Metern zu einem richtigen Sprint an, als könnte er es kaum erwarten, sie loszuwerden, und in einem Eckchen seines Verstands überlegte er, ob er nicht Howard Walpole beiseite nehmen und ihm anvertrauen sollte, Pamela sei ein Miststück, eine echte Schlampe, eine absolut durchgeknallte Nervensäge, aber er wußte, das würde so nicht funktionieren. Howard – er war achtunddreißig und hatte einen beinahe perfekt abgeplatteten Hinterkopf, so als hätte man ihm ein Brett übergezogen, gleich als er aus dem Mutterleib geploppt war –, Howard gehörte zu den Männern, die nie etwas wegwarfen und keinem Menschen glaubten.
    Das Kanu knirschte auf dem Kies, und Pamela hüpfte hinaus, dann bedeutete sie Sess, sich zu setzen, damit sie den Bug ein Stück die Böschung hinaufziehen konnte. Howard grinste, gelbe Zähne im angegrauten Bart, und zog sich die speckige Mechanikerkappe aus der Stirn, so daß man den bleichen Streifen Haut unter dem Haaransatz sehen konnte, wo die Sonne niemals hinkam. »Hallo, Pamela«, krähte er, »Spaß gehabt in Harders Hütte?«
    Sie sagte, den habe sie gehabt, und er

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