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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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irgendwann ihre Pistole gezogen und draußen auf dem Hof ein- oder zweimal abgedrückt hatte, auf jeden Fall bekam er am Ende Lokalverbot, während Joe Bosky lässig an der Theke stand, um sich herum zehn, zwölf Menschen, und den Rest des Abends in Würde weitertrank. Aber eins hatte Joe Bosky übersehen, eins war allen entgangen, nämlich daß Joe Boskys Wagen, sein weißer Fließheck-Mustang mit dem blauen Rallyestreifen, den er normalerweise in einer Garage abstellte und immer nur im Sommer fuhr, mitten vor der Tür auf dem verwilderten Parkplatz stand. Wie eine Wand aus Stahl und Glas stand er da, so daß Sess darüber stolpern mußte. Und es war für Sess kein Problem, nur eine Sache von wenigen besoffenen Minuten, die Motorhaube zu knacken und sich den glänzendschwarzen Knubbel der Verteilerkappe anzueignen, um damit zum Fluß hinüberzuwandern, im Kopf den vagen Gedanken, sich irgendwo etwas zum Pennen zu suchen.
    Zu behaupten, daß er mit Kopfschmerzen aufwachte, war untertrieben. Er war zerstört, niedergemacht, geschlagen an den Pfahl von Verletztheit und Reue, schlicht zermürbt von der körperlichen Entkräftung nach Alkoholexzessen. Er hatte es auch nicht ganz zu seiner Baracke geschafft und erwachte mit der Sonne in den Augen und beim sanften Tippen der Stiefelspitze von Richard Schrader. »Sess«, sagte Richard, und sein Gesicht war ein schimmernder Planetoid, der am Himmel seine Kreise zog, daneben stand auch ein Mond, und dieser Mond war das allzu weiße Gesicht der Frau, mit der Richie Oliver am Abend zuvor zusammengewesen war – oder vielleicht war es ein Klon von ihr. Sess setzte sich auf. Er befand sich fünf Meter vor der Tür zu seiner Baracke, sanft gebettet in einen Stapel Autoreifen und rostiger Maschinenteile, gleich am Südende von Richards Veranda. Der Fluß wogte hinter ihnen vorbei. Alles war naß und kalt. »Meine Güte«, sagte die Frau, »sieh dich bloß mal an!«
    Er war ein Mönch. Er war ein Büßer. Er wies Kaffee zurück, ebenso Heftpflaster und Allergiesalbe für die Moskitostiche, stieg einfach in sein Kanu – ohne neue Vorräte, nichts, nicht einmal eine Flasche Wasser – und paddelte flußaufwärts. Er schöpfte sich Wasser und trank beim Paddeln, und er fand in seinem Tagesrucksack ein paar Streifen getrocknetes Karibufleisch, das er in aller Scham und Selbstverleugnung kaute, während er die Strömung mit der Schneide seines Paddels bearbeitete. Es fiel immer noch Nieselregen, und er erschauderte, dann nutzte er einen kleinen Stromwirbel, um ans gegenüberliegende Ufer zu gelangen, wo er das Kanu an Land zog und ein Feuer zum Aufwärmen in Gang brachte, obwohl es fast zwanzig Grad waren – aber wenn man klatschnaß ist und einem der Wind entgegenpfeift, friert es einen sogar noch bei dreißig Grad.
    Das Feuer war klein, aber fein. Er hatte seine Angel dabei, die hatte er immer mit, und daher sollte das Mittagessen kein Problem sein. Dreimal den orangefarbenen Mepps-Spinner ausgeworfen, schon hatte er eine Äsche am Haken, die sich an einem Stecken grillen ließ, und das schmeckte so gut, daß er zu einem schwereren Köder wechselte – einen silbernen Blinker mit ein bißchen grünem Geglitzer in der Mitte, das wohl das Auge einer namenlosen Kreatur des Flachwassers darstellen sollte – und die Angel nochmals auswarf, in der Hoffnung auf einen Hecht fürs Abendessen in seinem Blockhaus. Zischend flog der Köder davon und platschte weit draußen ins Wasser, und dann holte er ihn mit leisem Surren ein, wieder und wieder, und dabei mußte er die ganze Zeit an Pamela denken, an Pamela in Howard Walpoles Drei-Zimmer-Blockhaus mit dem blondgelben Grizzlyfell auf dem Boden vor dem steinernen Kamin, der die Wärme des Ofens ergänzte, denn trotz seines fettigen Äußeren und seiner stinkenden Ungepflegtheit wußte Howard die Ästhetik von offenem Feuer sehr wohl zu schätzen. Aber Pamela würde doch nie einen Kerl wie den wählen, hager, plattköpfig und dumm wie Bohnenstroh, ganz egal, wie hoch er damals vor zwei Jahren mit Glück bei einer Platzwette gewonnen oder mit wie vielen Annehmlichkeiten er sein Haus ausgestattet hatte – oder etwa doch?
    Diese Frage marterte ihn während des sich hinziehenden, von Kopfweh durchsetzten Wartens an der Angel, und sie marterte ihn auch dann noch, als ein Hecht, so groß wie ein Baseballschläger, aus einer Grube unter dem überhängenden Ufer hervorschoß und den silbrigen Köder mit seinen nadelspitzen Zähnen packte und damit ein

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