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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Zwischen den
    Truhen schwebte an einem Stahlband die Egge.
     Der Offizier hatte die frühere Gleichgültigkeit des
    Reisenden kaum bemerkt, wohl aber hatte er für sein
    jetzt beginnendes Interesse Sinn; er setzte deshalb in
    [  ]
    seinen Erklärungen aus, um dem Reisenden zur unge-
    störten Betrachtung Zeit zu lassen. Der Verurteilte ahm-
    te den Reisenden nach; da er die Hand nicht über die
    Augen legen konnte, blinzelte er mit freien Augen zur
    Höhe.
    
    „Nun liegt also der Mann“, sagte der Reisende, lehnte
    sich im Sessel zurück und kreuzte die Beine.
    „Ja“, sagte der Offizier, schob ein wenig die Mütze
    zurück und fuhr sich mit der Hand über das heiße Ge-
    sicht, „nun hören Sie! Sowohl das Bett, als auch der 
    Zeichner haben ihre eigene elektrische Batterie; das Bett
    braucht sie für sich selbst, der Zeichner für die Egge.
    Sobald der Mann festgeschnallt ist, wird das Bett in Be-
    wegung gesetzt. Es zittert in winzigen, sehr schnellen
    Zuckungen gleichzeitig seitlich, wie auch auf und ab. Sie 
    werden ähnliche Apparate in Heilanstalten gesehen ha-
    ben; nur sind bei unserem Bett alle Bewegungen genau
    berechnet; sie müssen nämlich peinlich auf die Bewe-
    gungen der Egge abgestimmt sein. Dieser Egge aber ist
    die eigentliche Ausführung des Urteils überlassen.“
    
    „Wie lautet denn das Urteil?“ fragte der Reisende.
    „Sie wissen auch das nicht?“ sagte der Offizier erstaunt
    und biß sich auf die Lippen: „Verzeihen Sie, wenn viel-
    leicht meine Erklärungen ungeordnet sind; ich bitte Sie
    sehr um Entschuldigung. Die Erklärungen pflegte früher 
    nämlich der Kommandant zu geben; der neue Komman-
    dant aber hat sich dieser Ehrenpflicht entzogen; daß er
    [  ]
    jedoch einen so hohen Besuch“ – der Reisende suchte
    die Ehrung mit beiden Händen abzuwehren, aber der
    Offizier bestand auf dem Ausdruck – „einen so hohen
    Besuch nicht einmal von der Form unseres Urteils in
     Kenntnis setzt, ist wieder eine Neuerung, die – “, er hat-
    te einen Fluch auf den Lippen, faßte sich aber und sagte
    nur: „Ich wurde nicht davon verständigt, mich tri
    nicht die Schuld. Übrigens bin ich allerdings am besten
    befähigt, unsere Urteilsarten zu erklären, denn ich trage
     hier“ – er schlug auf seine Brusttasche – „die betreffen-
    den Handzeichnungen des früheren Kommandanten.“
    „Handzeichnungen des Kommandanten selbst?“ frag-
    te der Reisende: „Hat er denn alles in sich vereinigt? War
    er Soldat, Richter, Konstrukteur, Chemiker, Zeichner?“
     „Jawohl“, sagte der Offizier kopfnickend, mit star-
    rem, nachdenklichem Blick. Dann sah er prüfend seine
    Hände an; sie schienen ihm nicht rein genug, um die
    Zeichnungen anzufassen; er ging daher zum Kübel und
    wusch sie nochmals. Dann zog er eine kleine Ledermap-
     pe hervor und sagte: „Unser Urteil klingt nicht streng.
    Dem Verurteilten wird das Gebot, das er übertreten hat,
    mit der Egge auf den Leib geschrieben. Diesem Verur-
    teilten zum Beispiel“ – der Offizier zeigte auf den Mann
    – „wird auf den Leib geschrieben werden: Ehre deinen
     Vorgesetzten!“
    Der Reisende sah flüchtig auf den Mann hin; er hielt,
    als der Offizier auf ihn gezeigt hatte, den Kopf gesenkt
    [  ]
    und schien alle Kra des Gehörs anzuspannen, um etwas
    zu erfahren. Aber die Bewegungen seiner wulstig anein-
    ander gedrückten Lippen zeigten offenbar, daß er nichts
    verstehen konnte. Der Reisende hatte Verschiedenes fra-
    gen wollen, fragte aber im Anblick des Mannes nur: 
    „Kennt er sein Urteil?“ „Nein“, sagte der Offizier und
    wollte gleich in seinen Erklärungen fortfahren, aber der
    Reisende unterbrach ihn: „Er kennt sein eigenes Urteil
    – nicht?“ „Nein“, sagte der Offizier wieder, stockte dann
    einen Augenblick, als verlange er vom Reisenden eine 
    nähere Begründung seiner Frage, und sagte dann: „Es
    wäre nutzlos, es ihm zu verkünden. Er erfährt es ja auf
    seinem Leib.“ Der Reisende wollte schon verstummen,
    da fühlte er, wie der Verurteilte seinen Blick auf ihn
    richtete; er schien zu fragen, ob er den geschilderten 
    Vorgang billigen könne. Darum beugte sich der Reisen-
    de, der sich bereits zurückgelehnt hatte, wieder vor und
    fragte noch: „Aber daß er überhaupt verurteilt wurde,
    das weiß er doch?“ „Auch nicht“, sagte der Offizier und
    lächelte den Reisenden an, als erwarte er

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