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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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nun von ihm 
    noch einige sonderbare Eröffnungen. „Nein“, sagte der
    Reisende und strich sich über die Stirn hin, „dann weiß
    also der Mann auch jetzt noch nicht, wie seine Verteidi-
    gung aufgenommen wurde?“ „Er hat keine Gelegenheit
    gehabt, sich zu verteidigen“, sagte der Offizier und sah 
    abseits, als rede er zu sich selbst und wolle den Reisen-
    den durch Erzählung dieser ihm selbstverständlichen
    [  ]
    Dinge nicht beschämen. „Er muß doch Gelegenheit ge-
    habt haben, sich zu verteidigen“, sagte der Reisende und
    stand vom Sessel auf.
    Der Offizier erkannte, daß er in Gefahr war, in der
     Erklärung des Apparates für lange Zeit aufgehalten zu
    werden; er ging daher zum Reisenden, hing sich in sei-
    nen Arm, zeigte mit der Hand auf den Verurteilten, der
    sich jetzt, da die Aufmerksamkeit so offenbar auf ihn
    gerichtet war, stramm aufstellte – auch zog der Soldat
     die Kette an –, und sagte: „Die Sache verhält sich folgen-
    dermaßen. Ich bin hier in der Straolonie zum Richter
    bestellt. Trotz meiner Tugend. Denn ich stand auch dem
    früheren Kommandanten in allen Strafsachen zur Seite
    und kenne auch den Apparat am besten. Der Grundsatz,
     nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zwei-
    fellos. Andere Gerichte können diesen Grundsatz nicht
    befolgen, denn sie sind vielköpfig und haben auch noch
    höhere Gerichte über sich. Das ist hier nicht der Fall,
    oder war es wenigstens nicht beim früheren Komman-
     danten. Der neue hat allerdings schon Lust gezeigt, in
    mein Gericht sich einzumischen, es ist mir aber bisher
    gelungen, ihn abzuwehren, und wird mir auch weiter
    gelingen. – Sie wollten diesen Fall erklärt haben; er ist so
    einfach, wie alle. Ein Hauptmann hat heute morgens die
     Anzeige erstattet, daß dieser Mann, der ihm als Diener
    zugeteilt ist und vor seiner Türe schlä, den Dienst ver-
    schlafen hat. Er hat nämlich die Pflicht, bei jedem Stun-
    [  ]
    denschlag aufzustehen und vor der Tür des Hauptmanns
    zu salutieren. Gewiß keine schwere Pflicht und eine not-
    wendige, denn er soll sowohl zur Bewachung als auch
    zur Bedienung frisch bleiben. Der Hauptmann wollte in
    der gestrigen Nacht nachsehen, ob der Diener seine 
    Pflicht erfülle. Er öffnete Schlag zwei Uhr die Tür und
    fand ihn zusammengekrümmt schlafen. Er holte die
    Reitpeitsche und schlug ihm über das Gesicht. Statt nun
    aufzustehen und um Verzeihung zu bitten, faßte der
    Mann seinen Herrn bei den Beinen, schüttelte ihn und 
    rief: ,Wirf die Peitsche weg, oder ich fresse dich.‘ – Das
    ist der Sachverhalt. Der Hauptmann kam vor einer Stun-
    de zu mir, ich schrieb seine Angaben auf und anschlie-
    ßend gleich das Urteil. Dann ließ ich dem Mann die
    Ketten anlegen. Das alles war sehr einfach. Hätte ich den 
    Mann zuerst vorgerufen und ausgefragt, so wäre nur
    Verwirrung entstanden. Er hätte gelogen, hätte, wenn
    es mir gelungen wäre, die Lügen zu widerlegen, diese
    durch neue Lügen ersetzt und so fort. Jetzt aber halte
    ich ihn und lasse ihn nicht mehr. – Ist nun alles erklärt? 
    Aber die Zeit vergeht, die Exekution sollte schon begin-
    nen, und ich bin mit der Erklärung des Apparates noch
    nicht fertig.“ Er nötigte den Reisenden auf den Sessel
    nieder, trat wieder zu dem Apparat und begann: „Wie
    Sie sehen, entspricht die Egge der Form des Menschen; 
    hier ist die Egge für den Oberkörper, hier sind die Eggen
    für die Beine. Für den Kopf ist nur dieser kleine Stichel
    [  ]
    bestimmt. Ist Ihnen das klar?“ Er beugte sich freundlich
    zu dem Reisenden vor, bereit zu den umfassendsten Er-
    klärungen.
    Der Reisende sah mit gerunzelter Stirn die Egge an,
     Die Mitteilungen über das Gerichtsverfahren hatten ihn
    nicht befriedigt. Immerhin mußte er sich sagen, daß es
    sich hier um eine Straolonie handelte, daß hier beson-
    dere Maßregeln notwendig waren und daß man bis zum
    letzten militärisch vorgehen mußte. Außerdem aber
     setzte er einige Hoffnung auf den neuen Kommandan-
    ten, der offenbar, allerdings langsam, ein neues Verfah-
    ren einzuführen beabsichtigte, das dem beschränkten
    Kopf dieses Offiziers nicht eingehen konnte. Aus diesem
    Gedankengang heraus fragte der Reisende: „Wird der
     Kommandant der Exekution beiwohnen?“ „Es ist nicht
    gewiß“, sagte der Offizier, durch die unvermittelte Fra-
    ge peinlich berührt, und seine

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