Drunter und Drüber
und begann, ihn zärtlich zu massieren. »Auch mir tut das mit deinem Kanu furchtbar Leid.«
Er drehte den Kopf zu ihr herum. »Warum zum Teufel seid ihr alle so entsetzlich nett? Schließlich hätte ich um ein Haar deinen Jungen umgebracht!«
»Nein, verdammt, das hast du nicht!« Sie ging neben ihm in die Hocke, umfasste seine Schenkel und knetete sie sanft. »Tate und ich hätten uns niemals damit begnügt, vom Ufer aus zuzugucken, wie du die Jungfernfahrt mit deinem Kanu unternimmst. Onkel Ben hat völlig Recht – wir wussten, welche Gefahr mit einer solchen Fahrt verbunden war. Du brauchst nicht die Verantwortung für die ganze Welt zu übernehmen, John David. Lass uns für unsere eigenen Taten bitte selbst verantwortlich sein.«
J.D.'s Augen begannen zu blitzen, ehe er jedoch etwas erwidern konnte, kam Ben mit dem Verbandskasten zurück und sofort danach tobte Tate höchst lebendig, dicht gefolgt von Tante Sophie, durch die Tür. Ein paar Minuten stieg der Lärmpegel beachtlich, während Ben J.D. unter Erteilung guter Ratschläge der anderen den Rücken reinigte und fachmännisch verband.
Dru kam gar nicht auf die Idee, dass das Ganze möglicherweise für Familienfremde ein wenig seltsam war. So ging es nun mal bei den Lawrences zu, wenn einem von ihnen etwas passierte. Sie versammelten sich um ihn und versuchten ihm zu helfen. Und ihrer Meinung nach hatte sich J.D. wirklich sämtliche Befürwortungen heldenhaft verdient.
Doch sie merkte nun, dass er die Dinge etwas anders sah, so dass sie einen Schritt zurücktrat, damit er ein bisschen mehr Raum zum Luftholen bekam. Sie beobachtete unbehaglich, wie der wilde Ausdruck in seinen Augen stärker wurde und wie er vor lauter Anspannung stocksteif auf seinem Stuhl saß.
Sie hätte nicht sagen können, was das Fass zum Überlaufen brachte. Onkel Ben hatte ihn fertig verbunden, Tante Sophie hatte Kaffee aufgesetzt und sie alle ließen ihn endlich ein wenig in Ruhe. Vielleicht war es Tate, der ihn mit seiner Heldenverehrung schließlich in die Flucht trieb. Oder die Bewunderung, der Sophie während des Kaffeekochens lautstark Ausdruck verlieh.
Aus welchem Grund auch immer, sprang J.D. mit einem Mal von seinem Stuhl. »Ich muss gehen«, erklärte er mit gehetzter Stimme. »Ah, ich muss endlich meine nassen Jeans ausziehen.« Er sah sie alle nacheinander geradezu panisch an. »Tut mir Leid, okay? Ich muss ... einfach gehen.«
Unglücklich und stumm sah Dru ihm hinterher, als er aus der Küche hastete und das Haus fluchtartig verließ.
J.D. stürmte in seine Hütte und blieb dann mühsam um Atem ringend mitten im Esszimmer stehen.
Er raufte sich die Haare, strich sie sich mit beiden Händen aus der Stirn, hielt mit nach vorn ragenden Ellbogen mitten in der Bewegung inne und stöhnte. Himmel. Was machten sie mit ihm?
Er hatte bereits vor langer Zeit gelernt, weder zu erwarten noch sich zu wünschen, was es für ihn nicht geben konnte. Das hatte ihn das Leben gelehrt, und es war eine Lektion, die bisher stets von ihm beherzigt worden war.
Jetzt hatte er es mit einer Horde von Lawrences zu tun, die sich die allergrößte Mühe gaben, ihn wie einen verdammten Prinzen zu behandeln – und er konnte sehen, dass sie sich nicht lustig über ihn machten, obwohl sie doch sicher wussten, aus welchen Verhältnissen er kam.
Zur Hölle mit dieser ganzen verfluchten Sippe. Sie ließen ihn denken, er könnte tatsächlich ein vollwertiger, liebenswerter Mensch und kein Abschaum sein. Sie erweckten in ihm merkwürdige, längst verschüttet geglaubte Wünsche von Zugehörigkeit, Zuneigung und – Liebe ...
Verdammt.
Tja, aber er fiele nicht noch einmal auf ein solches Spiel herein. Es täte zu weh, wenn das Luftschloss naturgemäß früher oder später unweigerlich in sich zusammenfiele. Die Lawrences machten sich besser keine allzu großen Hoffnungen, dass er seinen Argwohn aufgab. Er würde ihnen garantiert nicht seine weiche Seite zeigen, in die sich so hervorragend eine Reihe spitzer Messer rammen ließe. Er hatte nicht so lange überlebt, um das zu vergessen.
»J.D.?«
Er wirbelte herum. Dru stand vor der Fliegentür und sah ihn an. Falls sie heute Make-up getragen hatte, war nichts mehr davon zu sehen. Immer noch trug sie ihren nassen Tankini und ihre Haare waren ebenfalls feucht. Die wenigen trockenen Strähnen standen wie Antennen von ihrem Kopf ab und eine baumelte ihr ins Auge.
Aber – zur Hölle mit dem Weib – nie zuvor in seinem Leben hatte sich ihm ein
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