Dschungel der Leidenschaft
unsicher blieb Nicky an der Tür stehen.
„Guten Morgen."
Er blickte auf. „Guten Morgen."
Offenbar wartete er auf ein Stichwort von ihr, und wieder tat sich vor Nicky die Kluft auf, die die vier Jahre ohne Brian hinter lassen hatten.
Wie Fremde blickten sie einander an. Nicky suchte nach einer passenden
Bemerkung.
„Hast du schon gefrühstückt?" fragte sie, um das Schweigen zu überbrücken.
„Ja." Brian stand auf. „Aber ich würde gern noch eine Tasse Kaffee trinken."
„Ich bringe sie dir", erbot Nicky sich. ,3in gleich wieder da."
Brian hatte eine große Kanne Kaffee gemacht, und Nicky schenkte einen Becher
voll und trug ihn ins Büro. Als sie ihn auf den Schreibtisch stellte, blickte Brian auf und sah sie forschend an.
„Alles in Ordnung?" fragte er.
„Bestens." Nicky schlug einen sachlichen Ton an. „Bist du schon lange auf?"
„Eine gute Stünde."
Wie in stiller Übereinkunft, kamen sie nicht auf die Nacht zu sprechen. Aber es hatte sie gegeben, und die Erinnerung daran stand zwischen ihnen.
„Entschuldige, dass ich gestern abend den Wagen genommen habe", sagte Nicky beim Mittagessen, das Ramyah ihnen zubereitet hatte. „Wie werden wir ihn wieder herschaffen?"
„Ich schicke Ali nach Paradise Mountain. Er soll ihn zu einer Werkstatt
abschleppen lassen."
„Weißt du schon, warum er stehengeblieben ist?"
„Nach dem, was du mir beschrieben hast, ist die Lichtmaschine ausgefallen und muss erneuert werden."
„Bin ich daran schuld?"
„Nein. Das wäre so oder so passiert. Du hast einfach das Pech gehabt, dass es dir passiert ist."
In den nächsten Tagen bekam Nicky Brian fast nur bei den Mahlzeiten zu Gesicht.
Sie hatten geglaubt, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit gesetzt zu haben, statt dessen war alles nur noch schlimmer geworden. Der Gedanke an die leidenschaftliche Liebesnacht verfolgte Nicky und wurde zur Nervenprobe, wenn sie Brian begegnete. Und wann immer er sie ansah, erkannte sie an dem Ausdruck in seinen Augen/dass es ihm ebenso erging. Die gemeinsamen Mahlzeiten verliefen verkrampft. Ein einziges Wort, ein Blick genügten, um die Anspannung unerträglich zu machen.
Nachts schlief Nicky unruhig und träumte wirre Dinge. Tagsüber versuchte sie, sich mit Schreiben und Lesen zu beschäftigen oder ging rastlos durchs Haus, während Brian sich in seinem Büro verschanzt hielt.
Der Land Cruiser war abgeschleppt und einige Tage später, flottgemacht
zurückgebracht worden.
„Morgen fahre ich nach Kuala Lumpur", verkündete Brian an diesem Abend
beim Essen. „Ich muss an einer Projektbesprechung teilnehmen und werde deinen Vater aufsuchen, um zu hören, wie die Dinge stehen."
Hoffnung erfüllte Nicky. „Ich komme mit!"
„Nein, das tust du nicht", erwiderte Brian sachlich. „Das wäre zu gefährlich. Wir wissen nicht, was los ist, und dürfen dich nicht leichtsinnig in Gefahr bringen.
Schließlich haben wir keine Ahnung, ob die Polizei die Gangster geschnappt hat oder ob sie dir immer noch auflauern. Du bleibst hier."
„Ich lasse mich von dir nicht bevormunden", murrte Nicky. Aber natürlich hatte Brian recht. Sie wussten nicht, was für Probleme ihr Vater mit den Verbrechern aus Hongkong hatte, die offensichtlich vor nichts zurückschreckten. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich mit ihrer Lage abzufinden, denn hier war sie immer noch am sichersten.
„Tut mir leid, Nicky, aber wir haben keine Wahl", erklärte Brian bestimmt.
„Falls dein Vater meint, du könntest zurückkehren, fahre ich dich am nächsten Tag nach Kuala Lumpur. Ich überbringe ihm aber natürlich gern eine Nachricht von dir."
„Sag ihm, ich sei drauf und dran, den Verstand zu verlieren. Und bring meine
Handtasche und den Pass mit!"
„Sonst noch etwas?" fragte Brian ruhig.
„Mein Notizbuch und Computerdisketten. Mein Vater weiß, wo sie sind. Und
ich brauche auch etwas zum Anziehen."
Brian nickte. „Und jetzt hör mir gut zu." Er schob den leeren Teller beiseite, stützte die Arme auf den Tisch und blickte Nicky scharf an. „Ich habe dich in den letzten Tagen zweimal vor einem Ungewissen Schicksal gerettet. Zweimal reicht's betonte er. „Also tu mir den Gefallen, und mach keine Dummheiten, während ich fort bin."
Zähneknirschend gab Nicky nach. „Jawohl, Diktator."
Brian seufzte. „Bitte versprich mir, vorsichtig zu sein. Keine
Dschungelspaziergänge. Keine irrwitzigen Anwandlungen oder..."
„Schon gut, schon gut!" unterbrach Nicky ihn gereizt. „Ich
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