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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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hergeschoben. Giovanna Sordis Selbstmord gab den Anstoß dazu.
    Man kann nur um Vergebung bitten.
    Linda bot an, ihn mit dem Auto hinzufahren. Sie brauchten weniger Zeit, um von Rom in die Peripherie von Neapel zu gelangen, als von dort ins Zentrum. Balistreri nutzte die Fahrt zum Zeitunglesen. Die immer noch nachplätschernden Artikel über den WM-Sieg sparte er sich. Einige Tageszeitungen erwähnten, dass die Mehrzahl der Einwanderer intensiv an den Feierlichkeiten des italienischen Sieges teilgenommen hätten. Als machte sie das zu besseren Menschen, die würdig waren, in Italien zu leben. Die Macht des Fußballs.
    Während Linda ruhig durch den Höllenverkehr lenkte, fluchte Balistreri und verwünschte die hupenden Autofahrer, die selbst vor roten Ampeln drängelten. Die Stadt war noch üppiger mit Fahnen geschmückt als Rom, und überall herrschte Menschengewimmel. Sie hatten sich für den Vormittag bei Lucia Coppola angemeldet, und nun war es schon kurz vor eins.
    Das Haus war bescheiden, doch von der kleinen Terrasse aus hatte man einen schönen Blick über den ganzen Golf. »Es gehört meinen Eltern«, erklärte Lucia bei ihrer Begrüßung. »Sie machen gerade Urlaub auf Capri.«
    Lucia war eine schöne Frau, unfassbar viel schöner als der Zwerg. Und sehr groß. Überall im Haus hingen Bilder von Coppola. Fotos mit Lucia, aus der Schulzeit, von ihrer Hochzeit, den Ferien. Und mit Ciro, dem hübschen Ciro, in jedem Alter, immer größer. Lucia war heiter, als würde sie den Zwerg am Ende des Tages von der Arbeit zurückerwarten. Sie zeigte ihnen ein Foto, das sie bei Giulia Piccolos Einstandsumtrunk aufgenommen hatte. Balistreri stand unten vor dem Büro auf der Treppe, umringt von Piccolo, Corvu und Mastroianni. Der Zwerg hockte vorsorglich auf der obersten Stufe.
    Der Tisch war für vier Personen gedeckt, draußen im Schatten auf der kleinen Terrasse. Der köstliche Duft von Tomatensugo und frischem Basilikum lockte Balistreri in die Küche.
    »Ciro ist noch beim Training. Er kommt in fünf Minuten«, sagte Lucia.
    Während Linda und sie die Nudeln überwachten, klingelte es, und Balistreri ging öffnen. Er hatte sich schon zurechtgelegt, was er Coppolas Sohn sagen wollte, aber der schlaksige Junge streckte ihm die Hand entgegen, sah ihm ernst in die Augen und kam ihm zuvor: »Papa hatte an allen was auszusetzen, außer an Ihnen.«
    Bei Tisch sprachen sie über den Sieg der Azzurri und das unglaubliche Feuerwerk, das den Golf taghell erleuchtet hatte. Dann erzählte Ciro, dass er probeweise ins Team von Napoli Basket aufgenommen worden sei. Im nächsten Jahr solle es losgehen.
    »Und wie läuft’s in der Schule?«, fragte Balistreri, der sich an Coppolas fixe Idee erinnerte, dass sein Sohn unbedingt Jura studieren müsse.
    Ciro sah Hilfe suchend seine Mutter an. »Geht so«, sagte Lucia unbekümmert. »Es war ein schwieriges Jahr, aber das holt er wieder auf.«
    Als Lucia und Linda nach dem Kaffee den Tisch abräumten, begleitete Balistreri Ciro in sein Zimmer. Überall hingen Poster von Sportlern und Bands. Kaum Bücher. Über dem Bett ein bemerkenswertes Foto vom Zwerg in Basketballtrikot bei einem Drei-Punkte-Wurf.
    »Er war gar nicht mal schlecht«, sagte Ciro. »Als er jung war, hat er auf ziemlich hohem Niveau gespielt.«
    Sie setzten sich auf die Bettkante. Einer schon alt, der andere noch ein Kind. Eine Weile starrten sie auf das Foto, das alles sagte. Ciro sprach als Erster. »Mama denkt, es war absolut nicht Ihre Schuld.«
    Balistreri wusste nicht, was er sagen sollte.
    Der Junge lächelte ihn an und redete weiter. »Sie wurden verletzt, weil Sie Papa helfen wollten.«
    Auf dem Weg nach Neapel hatte er sich geschworen, diesem Jungen nichts von der Gewalt an jenem Abend zu erzählen. Dieses Foto änderte alles. Er erzählte, wie sein Vater aus der Deckung gekommen war, um ihm das Leben zu retten. Filmreif habe er sich über den Boden gerollt und den Typen dann tatsächlich auch erwischt. Erst der Schuss zwischen die Schulterblätter habe ihn aufhalten können. Ciros Augen glänzten vor Stolz.
    Die hohen Absätze brauchst du nicht mehr.
    Beim Abschied überreichte Ciro ihm ein flaches Päckchen. »Papa machte sich bei der Arbeit immer Notizen in diesen Kalender. Man hat ihn uns zusammen mit seinen anderen Sachen geschickt. Ich möchte, dass Sie ihn bekommen.«
    Beim Anblick dieses lieben Jungen, dem sein Vater nicht mehr zu einem schönen Korbwurf oder einer guten Note gratulieren konnte, spürte

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