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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Hölle los. Hier trafen sich die Rumänen aus den Roma-Lagern in der Nähe, aber auch die Bewohner der heruntergekommenen Mietskasernen im Osten Roms. Nachdem sie den Tag damit verbracht hatten, in glühender Hitze einen Stein auf den anderen zu setzen oder an der Kreuzung die Windschutzscheiben der Autofahrer zu putzen, hatten sie Durst. Großen Durst.
    Mitten in diesem Durcheinander saß ein Mann mit langen, glatten, schwarzen Haaren, Lazio-Rom-Kappe und großer Sonnenbrille ganz allein in der dunkelsten Ecke der Kneipe, gleich neben den Toiletten. Er hatte kaum etwas getrunken, nur ein halbes Glas Bier. In der weißen Plastiktüte, die er bei sich hatte, befanden sich zwei ungeöffnete Flaschen sehr guten Whiskys, den er nicht anrühren würde. Und in seiner Hosentasche steckten ein paar Tütchen Kokain, das er nicht schnupfen würde.
    Er hob seinen Bierkrug und zwinkerte drei etwa achtzehnjährigen Landsmännern zu, die gerade vom Klo kamen. Rasierter Schädel, Unterhemd, Jeans. Nur ihre Tattoos auf den trainierten Oberarmen und im Nacken unterschieden sich: kleines Hakenkreuz, Adler, Doppelaxt, Gladiator, gekreuzte Schwerter. Die Jungs waren genau die Richtigen für das, was er vorhatte.
    Balistreri saß bei seinem Bruder Alberto beim Abendessen, gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Corvu, seinem Freund Dioguardi und einem Kollegen von Alberto. Melone mit Schinken und eiskalter Weißwein. Eine leichte Speise, denn anschließend wollten sie noch Poker spielen. Die Zigaretten hatte er auf das bescheidene Maß reduziert, das sein abgewirtschaftetes Herz ihm diktierte, und Hochprozentiges trank er gar nicht mehr. Das Pokern war eine Ersatzbefriedigung für vieles, was er mit den Jahren aufgegeben hatte. Eins der wenigen Dinge, die noch so etwas wie Erregung in ihm hervorzurufen vermochten.
    Nach dem Abendessen half Samantha der alten Dame, von der Küche wieder in das einzige Zimmer hinüberzugehen, in dem sie sich aufhielt und schlief. Um zwanzig vor zehn stand sie auf, um sich fertig zu machen. Gewissenhaft warf sie noch einen letzten Blick auf die vielen Medikamente, die Assunta zu bestimmten Uhrzeiten einnehmen musste, damit ihr Herz nicht aufgab. Der Plan, den Samantha ihr aufgemalt hatte, war sehr präzise. Mit Klebeband hatte sie in Schlafzimmer, Küche und Bad jeweils eine Kopie davon aufgehängt. Jetzt blieb noch Zeit für ein paar Ermahnungen.
    »Signora Assunta, hat der Pförtner Ihnen den Gerinnungshemmer aus der Apotheke geholt?«
    Die alte Frau lächelte abwesend. »Ich hatte vergessen, es ihm zu sagen, Samantha. Aber keine Sorge …«
    Um fünf vor zehn machte sie sich eilig auf den Weg.
    Als er mit ihnen hinausging, war es zehn vor zehn. Die drei jungen Männer waren betrunken und erschöpft, aber nicht zu sehr, genau wie er es wollte. Nicht mehr ganz klar im Kopf, aber noch im Vollbesitz ihrer Kräfte. Der trostlose Platz mit den Grünflächen war menschenleer. Sie sahen die junge Frau mit großen Sätzen in ihre Richtung laufen, wie eine Athletin. Als sie an ihnen vorbeikam, glotzten sie ihr mit offenen Mündern nach.
    »O Mann, geile Puppe!«, rief der Gladiator auf Rumänisch.
    Dioguardi gewann, wie immer seit über zwanzig Jahren. Auch mit den angegrauten blonden Locken und den Falten um die blauen Augen sah er noch aus wie ein großer Junge, der sich entschuldigte, wenn er gewann, und von Zeit zu Zeit absichtlich verlor, um seine Freunde nicht zu demütigen. Alberto hingegen spielte zuverlässig nach streng wissenschaftlicher Methode und verlor ebenso zuverlässig.
    »Er blufft«, sagte Balistreri zu seinem Bruder, der nach der soundsovielten Erhöhung von Dioguardi gepasst hatte.
    »Glaub ich nicht«, mischte Corvu sich ein. »Die Chance, dass er sich den Punkt holt, steht bei sechzig zu vierzig. Wenn du mich fragst, hat Alberto es richtig gemacht, nicht mitzugehen.«
    Angelo Dioguardi sagte wie üblich kein Wort. Er rauchte und trank, viel mehr als in seiner Jugend. Ob er bluffte oder nicht, blieb sein Berufsgeheimnis.
    Samantha sah die Männer nur aus den Augenwinkeln, aber ihren Geruch nahm sie deutlich wahr: Alkohol und Schweiß. Und sie spürte, wie die Typen sie mit ihren Blicken auszogen. Plötzlich griffen Arme nach ihr, hielten sie fest.
    Als sie fortgezerrt wurde, fuhr zweihundert Meter weiter der Bus los und drehte seine Runde um den Platz. Sie wehrte sich, aber einer der Männer drückte ihr mit seinem Arm die Kehle zu und presste ihr ein schmutziges Taschentuch auf den Mund, damit sie

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