Du hast meine Sinne entflammt
Sprich mit ihr darüber, ermahnte er sich selbst. Vielleicht würde es ihm helfen, endgültig herauszufinden, dass nur dieser Fall ihm momentan so sehr in den Knochen steckte, dass er sich fast selbst nicht mehr wieder erkannte. „Sie muss eine ganz außergewöhnliche Frau sein und darüber hinaus diejenige, die Virginia mit Abstand am besten kennt. Sie hat einige Tage Urlaub in Salem gemacht und liegt jetzt dort im Krankenhaus, weil sie sich beim Schlittschuhlaufen die Hüfte gebrochen hat.“
„Wie alt ist die Frau denn?“
„Achtundsechzig.“
„Ein etwas ungewöhnlicher Sport für eine Frau in dem Alter, findest du nicht?“
„Hm …“ antwortete Caine nur und konzentrierte sich auf den dichten Verkehr.
„Und was versprichst du dir von ihrer Aussage?“
„Die Anklage lautet auf Mord. Zu allererst will ich beweisen, dass Ginnie die Angewohnheit hatte, ständig eine Waffe mit sich herumzutragen. Wenn ich den Geschworenen klar gemacht habe, dass Ginnie als Selbstschutz immer eine Pistole bei sich hatte, dann wird es nicht mehr so schwierig sein, sie davon zu überzeugen, dass sie wirklich nur Laura Simmons Wohnung aufgesucht hat, um ihren Mann dort in flagranti mit seiner Geliebten zu überraschen – nicht aber, um ihn zu töten.“
„War das der erste Seitensprung in dieser Ehe?“ fragte Diana interessiert.
„Der Privatdetektiv, den Ginnie Monate vorher bereits auf ihren Mann angesetzt hatte, hat herausgefunden, dass Dr. Francis Day absolut kein Heiliger war. Wenn es mir gelingt, den Bericht des Detektivs als Beweismittel vorzulegen, wird das zwar kein gutes Licht auf den Mann werfen, andererseits jedoch verstärkt der Bericht nur noch die Tatsache, dass Ginnie wirklich ein Motiv hatte.“
„Aber wieso hat sie denn ständig eine Waffe mit sich herumgetragen?“
Caine steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. „Sie hat mir erzählt, dass sie eine panische Angst davor habe, überfallen und beraubt zu werden. Das allerdings wäre auch gar nicht verwunderlich, denn sie ist ständig mit teurem Schmuck behangen wie ein Christbaum.“ „Außerdem hat sie in den letzten Jahren keine Gelegenheit ausgelassen, in die Presse zu kommen“, sagte Diana. „Auf mich machte sie immer den Eindruck eines verwöhnten Kindes, das sich weigert, erwachsen zu werden.“
„Da hast du völlig Recht“, stimmte Caine ihr zu und sahDiana von der Seite an. „Ich kann nur froh sein, dass du nicht unter den Geschworenen sitzt.“
„Ich muss zugeben, dass ich im Augenblick etwas allergisch auf solche Frauen reagiere“, antwortete Diana nachdenklich. „Weißt du, ich muss dabei immer an Frauen wie Irene Walker denken. Einen größeren Gegensatz kann man sich überhaupt nicht vorstellen.“
„Wie ist dein Gespräch mit ihr denn heute Morgen gelaufen?“
„Die Verletzungen in ihrem Gesicht sind immer noch nicht abgeheilt“, antwortete Diana. „Ich habe noch nie eine Frau kennen gelernt, die so wenig Selbstbewusstsein hat. Mir kam es beinahe so vor, als wäre sie davon überzeugt, dass sie nichts Besseres verdient habe, als geschlagen zu werden.“
Diana schüttelte den Kopf und schwieg einen Moment, als könnte sie es immer noch nicht fassen, was sie da vor einigen Stunden erlebt hatte. „Wenigstens hat die Freundin, bei der sie im Augenblick wohnt, sie so weit gebracht, endlich zum Anwalt zu gehen. Mir kommt es vor, als wäre Irene Walker wie ein Schwamm, der alle Eindrücke aufsaugt, daraus aber überhaupt keine Lehren zieht, sondern immer nur das tut, was andere wollen. Ich nehme an, dass ihr Mann sie im Laufe der Jahre davon überzeugt hat, dass sie ohne ihn nicht existieren kann. Ich habe ihr vorgeschlagen, dass sie die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch nimmt. Es wird nicht einfach für sie sein, diese Scheidung und die Klage ihres Mannes durchzustehen.“ Diana sah Caine an. „Stell dir vor, sie trägt immer noch ihren Ehering.“
„Wahrscheinlich hat sie Angst, dass es endgültig aus ist, wenn sie ihn abnimmt, meinst du nicht?“
„Ja, wahrscheinlich“, antwortete Diana. „Wusstest du eigentlich, dass die beiden erst seit vier Jahren verheiratet sind, und dass sie es trotzdem schon nicht mehr zählen kann, wie oft er sie bereits verprügelt hat?“ In ihre Augen trat ein wütendes Funkeln. „Ich kann es gar nicht erwarten, bis ich diesen Mann im Zeugenstand habe.“
„Soweit ich mich erinnere, gab es doch beim letzten Mal zwei Zeugen, nicht wahr?“
„Ja,
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