Du oder der Rest der Welt
vegetarischer Hot Dog«, erklärt sie. »Ohne tierische Anteile.«
Carlos packt seinen Hot Dog misstrauisch aus.
»Es wird dich nicht umbringen, etwas Gesundes zu essen, Carlos«, sagt meine Mom. »Aber wenn es dir nicht schmeckt, kann ich noch mal losgehen und dir industriell hergestellte Lebensmittel besorgen.«
Ich beiße in meinen Vegan Dog. Es macht mir nichts aus, das ganze gesunde Zeug zu essen, das meine Mom kocht, aber ab und zu hätte ich nichts gegen industriell hergestellte Lebensmittel einzuwenden.
Carlos beißt in seinen. »Der ist ziemlich gut. Haben Sie auch Pommes dazu?«
Ich muss beinah lachen, als meine Mom einen Haufen orangefarbene Pommes auf eine Serviette kippt. »Das sind gebackene Süßkartoffelpommes. Die Haut ist noch dran, damit du mehr Ballaststoffe isst. Wenn mich nicht alles täuscht, haben sie außerdem Omega-3-Fettsäuren.«
»Ich esse gerne, ohne darüber nachzudenken, was überall drinsteckt«, sagt Carlos zwischen zwei Bissen.
Meine Mom nimmt einen großen Krug und gießt uns Eistee ein, den sie für uns gemacht hat. »Es sollte dich interessieren, was in deinem Körper landet. Diese Teemischung besteht zum Beispiel aus Açaí, Orangenschalenextrakten und Minze.«
»Iss, Mom«, weise ich sie an. Sonst dürfen wir uns gleich noch einen Vortrag über Antioxidantien und freie Radikale anhören.
»Schon gut, schon gut.« Sie nimmt sich ihren Hot Dog aus der Tüte und beginnt zu essen. »Also, wie war der Film letzte Nacht?«
»Er war gut«, erwidere ich und hoffe, sie will keine Details wissen, denn ich habe keinen Schimmer, worum es in dem Film ging.
Sie greift nach einer Pommes und beißt das Ende ab. »Er schien ziemlich brutal zu sein. So was ist nichts für mich.«
»Für mich auch nicht«, sage ich. Carlos schweigt. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen, aber ich gucke nicht hoch. Ich konzentriere meine Aufmerksamkeit auf alles andere, nur nicht auf ihn.
Iris, eine Wochenendaushilfe meiner Mutter, öffnet die Tür des Pausenraums. »Colleen, da ist eine Kundin, die ausdrücklich nach dir verlangt. Sie scheint es eilig zu haben.«
Meine Mom schiebt sich den letzten Bissen Hot Dog in den Mund. »Die Pflicht ruft.«
Ich stehe ebenfalls auf, um den Raum zu verlassen, aber Carlos packt mich am Handgelenk. Gott, wie ich mir wünsche, dass er mich an sich zieht und mir sagt, dass die letzte Nacht kein Fehler war. Das zwischen uns könnte ganz einfach sein.
»Es hat nichts mit dir zu tun, weißt du. Ich wollte mit keinem Mädchen so sehr zusammen sein, seit …« Seine Stimme verliert sich und er lässt mein Handgelenk los.
»Seit wem?«, frage ich.
»Das spielt keine Rolle.«
»Für mich schon.«
Er zögert, als wollte er ihren Namen nicht aussprechen. Als er schließlich »Destiny« sagt, gelingt es ihm nicht zu verbergen, dass er noch Gefühle für sie hat. Der Name gleitet über seine Zunge, als würde er jede einzelne Silbe liebkosen.
Ich bin eifersüchtig, keine Frage. Mit Destiny kann ich nicht konkurrieren. Es ist offensichtlich, dass Carlos sie noch immer liebt. »Ich hab verstanden.«
»Nein, das tust du nicht. Letzte Nacht hat mir eine Scheißangst eingejagt, Kiara. Denn ich habe etwas gefühlt, dass ich nicht gefühlt habe, seit …«
»Seit Destiny«, sage ich.
»Ich werde nicht zulassen, dass ich jemals wieder so viel für ein Mädchen empfinde.«
»Aber du erwartest immer noch von mir, dass ich so tue, als wären wir zusammen?«
»Nur noch ein paar Wochen, bis Madison sich entscheidet, die Sache mit uns abzuhaken.« Er sieht zu mir hoch. »Dann können wir uns einen Grund ausdenken, warum wir Schluss gemacht haben. Wir haben einen Deal, oder?«
»Stimmt.«
Zurück im Büro meiner Mutter gucke ich auf die Zahlenkolonnen vor mir. Die Ziffern verschwimmen vor meinen Augen. Ich schmeiße den Stift hin, stütze den Kopf in die Hände und seufze.
Es war so dumm von mir, Carlos zu erzählen, dass ich dabei bin, mich in ihn zu verlieben. Damit habe ich ihn vertrieben. Mein ganzes Leben war ich zurückhaltend, bin kein Risiko eingegangen. Und dann treffe ich Carlos, einen Jungen, der in mir den Wunsch weckt, meine Zurückhaltung über Bord zu werfen und niemals wieder einen Moment meines Lebens zu bereuen.
Als er mit meinen Bruder Fußball gespielt hat, und ich einen Funken der Großzügigkeit aufblitzen sah, die er nur den wenigen zuteil werden lässt, von denen er glaubt, dass sie es wert sind, erkannte ich, dass man nicht unbedingt das bekommt, was
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