Du sollst meine Prinzessin sein
Anspannung ließ noch ein wenig nach. Aber nicht viel.
Der Wagen passierte bereits die großen Tore des Palastes und fuhr über einen weitläufigen Innenhof. Das weiße, von Türmchen gesäumte Schloss wirkt, als wäre es aus Süßigkeiten für Kinder gemacht, dachte Lizzy. Die Wachen vor dem Tor trugen malerische Uniformen und Helme aus längst vergangenen Zeiten.
Am anderen Ende des mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Hofs hielt der Wagen vor einer hohen Eingangstür. Zwei Diener eilten aus dem Palast, einer öffnete die Tür des Wagens.
Zuerst stieg Prinz Enrico aus, er wandte sich um und half Ben, dann bot er Lizzy seine Hand an. Sie kletterte aus dem Wagen, ohne sie zu nehmen.
Nach der Fahrt in dem klimatisierten Wagen war es eineWohltat, die warme mediterrane Luft in den Lungen zu spüren.
Doch schon betraten sie das Schloss, und die Kühle der marmornen Flure umfing sie. Mit Ben in der Mitte schritten sie durch die weitläufige Eingangshalle.
Ich bin in einem Palast, dachte Lizzy. Der Gedanke kam ihr bizarr und irreal vor.
Einer der Diener ging ihnen voraus, der andere folgte ihnen. Ben bestürmte seinen Onkel immer noch unentwegt mit Fragen. Verstohlen blickte Lizzy sich um, betrachtete die verzierten Wände und die vielen Nischen, in denen Statuen standen.
Vor ihnen befand sich eine riesige Treppe, deren Stufen mit einem Teppich in Königsblau belegt waren. Leichtfüßig ging Prinz Enrico hinauf.
Das ist sein Zuhause … er macht das jeden Tag seines Lebens, schoss es ihr durch den Kopf.
Ihr Gefühl von Irrealität wuchs. Ebenso nahm die Beklemmung zu, die wie ein schweres Gewicht auf ihr lastete.
Das Ende der Treppe führte zu einem weiteren, endlos wirkenden Flur. Auf einer Seite waren immer wieder doppelflüglige Türen sichtbar.
Überall konnte sie Marmor und goldene Ornamente sehen. Und über allem lag ein für Museen typisches Schweigen.
Aus einer Türöffnung trat ein Mann, den Lizzy gar nicht bemerkt hatte, und verbeugte sich leicht vor Prinz Enrico. Er trug einen Anzug, eine Brille verbarg seine Augen. Nach einem kurzen Blick auf Ben sprach er Rico an. Lizzy ignorierte er.
Was bin ich? Unsichtbar? Ihr scherzhafter Gedanke trug nur dazu bei, ihre Nervosität zu vergrößern.
Stirnrunzelnd erwiderte Rico etwas in scharfem Italienisch. Die Miene des anderen Mannes blieb ausdruckslos. Unlesbar.
„Mein Vater und meine Mutter möchten Ben zunächst allein treffen“, wandte Rico sich schließlich an Lizzy. „Bitte fassen Sie das nicht als Kränkung auf. In Ihrer Anwesenheitwären sie gezwungen, sich dem Protokoll gemäß förmlich zu verhalten. Ich hoffe, Sie verstehen das?“
Furcht flackerte in ihren Augen auf. Zu ihrer größten Verwunderung ergriff er ihre Hand.
„Es ist alles in Ordnung. Ich verspreche es.“
Seine Hand fühlte sich warm auf ihrer an. In seinen Augen schimmerte Verständnis und Mitgefühl.
„Vertrauen Sie mir“, sagte er leise. „Sie brauchen keine Angst zu haben.“
Langsam, sehr zögernd, nickte sie.
Rico ließ ihre Hand los.
„Man wird Sie zu Ihren Räumlichkeiten führen. Dort können Sie sich frisch machen und ein wenig ausruhen. Wenn ich mit Ben zurückkomme, zeige ich Ihnen den Palast.“
Er blickte zu Ben hinunter. „Wir treffen jetzt deine Großeltern, Ben, und deinen anderen Onkel. Danach holen wir deine Mummy ab und erforschen das Schloss. Es gibt hier eine Menge zu sehen.“ Er beugte sich verschwörerisch vor. „Sogar einen Geheimgang.“
Bens Augen weiteten sich. Er nahm die Hand seines Onkels, und die beiden marschierten los.
Lizzy sah ihnen nach.
„Signorina?“ , sprach der Mann im Anzug sie an. „Ich werde Sie in Ihr Quartier bringen.“
Verwundert blickte Rico sich um. Das private Wohnzimmer seiner Eltern war leer. Man hatte ihm gesagt, er solle Ben sofort hierher bringen. Wo waren alle?
„Rico … endlich.“
Abrupt wandte er sich um. Aus einem der Nebenräume kam Luca. Sein Blick wanderte zu der kleinen Gestalt an Ricos Hand und verharrte dort für eine Weile.
„Ja, seine Herkunft ist nicht zu leugnen. Er sieht Paolo wirklich ähnlich“, sagte er schließlich. „Wir haben schon geglaubt, du würdest ihn nie zu uns bringen.“
„Wo sind unsere Eltern?“
Spöttisch hob sein Bruder die Augenbrauen. „Heute tagt der Hohe Rat. Du weißt doch, unser Vater versäumt nie eine Versammlung. Und unsere Mutter begibt sich um diese Jahreszeit immer nach Andovaria für ihren vierzehntägigen Wellnessurlaub. Hast du das etwa
Weitere Kostenlose Bücher