Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
schaust mich mit deinen großen braunen Augen an. Siehst mich an, als ob du mich kennen würdest.«
»Ich kenne dich nicht.«
»Und ich kenne dich nicht. Warum hat es mich dann gestört, dass dieses Arschloch da draußen auf der Terrasse so gemein zu dir war? Warum habe ich mir seit jenem Abend ständig Gedanken über dich gemacht? Kannst du mir das erklären?«
Er hört sich frustriert an, und ich begreife, dass ihn die gleichen widersprüchlichen Gefühle quälen wie mich. Gefühle, die losgelöst sind von sämtlichen Erinnerungen und deshalb ohne irgendeine Bedeutung.
Plötzlich bekomme ich Angst und denke wieder daran, dass James für mich ein Risiko ist. »Ich wohne am Hillsdale Drive«, murmele ich. »Wir sind schon vor einer ganzen Weile dran vorbeigefahren.«
James scheint etwas sagen zu wollen, doch dann macht er nur einen scharfen U-Turn und fährt zurück, in die Richtung meines Elternhauses. Er sagt nichts, und die Anspannung zwischen uns steigt an.
Ein Schmerz packt mich plötzlich, breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ein heftiger Schmerz. Furcht. Ich möchte so weit wie möglich weg von James Murphy, denn ich glaube, er könnte der Auslöser sein. Ich fühle mich … krank.
Als er vor unserer Einfahrt hält, steige ich hastig aus. Ich bedanke mich noch und eile dann auf die Haustür zu, froh, dass meine Eltern noch nicht daheim sind und nicht sehen können, wie aufgelöst ich bin.
Als ich an der Tür bin, schaue ich noch einmal zurück. Der Wagen steht immer noch dort. James redet mit sich selbst und scheint ziemlich sauer zu sein. Doch plötzlich erstarre ich, als ich sehe, wie er sich ärgerlich über die Wangen wischt und dann losfährt.
6. Kapitel
»Du behauptest also, dass ihr beide, du und James, nicht aneinander interessiert seid«, sagt Lacey und beißt in ihren Cupcake. Wie immer sitzt sie mir in der Cafeteria gegenüber. »Aber er lässt dich keine Sekunde aus den Augen. Er könnte mir fast schon leidtun dafür, dass du ihn gar nicht beachtest.«
Das tue ich tatsächlich nicht, sitze mit dem Rücken zu ihm, während ich meinen Lunch esse. James macht mich unsicher. Sein ständiges Hin und Her, dass er einmal mit mir flirtet und mich dann wieder meidet, weckt Gefühle in mir, die ich nicht verstehe. Und ich will nicht noch einmal krank werden.
»Na gut«, meint Lacey, als ich nicht antworte. »Ich denke, je mehr du ihn ignorierst, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass du in diesen Typ verknallt bist. Und er sieht heute ziemlich erbärmlich aus.«
»Tut er nicht. Und außerdem, wie kann ich denn in ihn verknallt sein, wenn ich ihn doch überhaupt nicht kenne?«
Lacey lächelt, als hätte ich ihr gerade verraten, dass ich James heiraten und seine blonden Babys haben will. »Egal, was du tust«, sagt sie, »du machst ihn fix und fertig.«
Ich habe plötzlich Angst, dass sie recht haben könnte. Was, wenn ich eine Kettenreaktion in Gang gesetzt habe, allein dadurch, dass ich mit ihm geredet habe? Was, wenn wir meinetwegen beide wieder krank werden?
Ich wende den Kopf und sehe zu James hin, der sich sofort aufrecht hinsetzt. Er hält meinen Blick auf eine Weise fest, dass ich mich nicht rühren kann, bis ich höre, dass Lacey meinen Namen sagt, und ich mich wieder umdrehe.
»O Gott«, murmelt sie, »das wird kein gutes Ende nehmen.«
»Lass uns lieber über was anderes reden.«
»Gern.« Sie wirft die Hände hoch, als sei ich ein hoffnungsloser Fall. »Ich hab da übrigens was für dich.«
Das weckt mein Interesse. »Ja?«
»Ein kleiner Trick, den ich ein paar Wochen nach meiner Rückkehr gelernt habe.« Vorsichtig blickt sie zu Kevin hin, dann langt sie nach unten und holt etwas aus ihrem Rucksack. Stupst mein Knie an und reicht es mir dann unterm Tisch.
»Was ist das?«, frage ich und lege es auf meinen Schoß, damit ich es mir anschauen kann. Es ist ein kleiner Block, und auf jedem Blatt steht oben der Name des Schulpsychologen. Und auf jedem einzelnen Blatt befindet sich auch seine Unterschrift, lediglich Datum und Uhrzeit müssen noch eingefügt werden. Mit großen Augen schaue ich Lacey an.
»Falls du mal eine Auszeit brauchst«, flüstert sie. »Füll einfach ein Blatt aus und gib es deinem Lehrer. Sie prüfen es nicht nach, schließlich gehen sie davon aus, dass wir an der Therapie teilnehmen – keiner kommt auf die Idee, dass wir schwänzen könnten. Immerhin sind wir die Guten, vergiss das nicht. Tut mir leid, dass ich schon die Hälfte der Passierscheine
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