Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
verbraucht habe.« Als ich sie fragend anschaue, zuckt sie mit den Schultern. »Was? Wie, glaubst du, sollte ich denn sonst die Zeit gefunden haben, so viele Geschmacksrichtungen zu sammeln?«
Ich lache und stelle mir vor, wie Lacey um die Schule schleicht, mit irgendwelchen Jungs hinter dem Gebäude oder im Vorratsraum des Hausmeisters herummacht. Und dann, obwohl ich es gar nicht will, drehe ich mich noch einmal zu James um. Und diesmal lächelt er.
»Überhaupt kein Interesse«, sagt Lacey vor sich hin. »Na klar.«
Ich lasse keine Zeit verstreichen, bis ich den ersten Passierschein benutze. Es ist, als hätte ich in meiner Tasche den Schlüssel zu einem komplizierten Schloss. Vor der letzten Stunde fülle ich den Schein aus und bleibe dann vor der Tür stehen, bemüht, mich durch nichts zu verraten. Noch einmal hole ich tief Luft, dann wende ich mich Kevin zu.
»Ich habe jetzt eine Sitzung bei Mr. Andrews«, sage ich und deute auf den Verwaltungsbereich. »Es wird wahrscheinlich bis zum Unterrichtsschluss dauern.«
Kevin blickt auf seine Uhr, dann nickt er. »Ich bringe dich hin.«
Ich lächele, während mein Herz fast vor Panik explodiert. »Oh. Sicher. Okay.« Kevin wartet, während ich dem Lehrer meinen gefälschten Passierschein zeige und dieser ins Klassenbuch einträgt, dass ich anwesend bin. Dann kann ich gehen.
Ich sage kein Wort, während Kevin und ich durch die leeren Flure zu den Büros gehen. Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Mein Betreuer wird herausfinden, das s ich gar keine Therapiesitzung habe, und dann wird er den Passierschein überprüfen. Ich werde auffliegen. Ich glaube nicht, dass er das ignorieren kann, egal, welche Gefallen er Realm schuldig ist.
Und was soll ich antworten, wenn er fragt, woher ich den Passierschein habe? Auf keinen Fall reiße ich Lacey mit rein. Dann sollen sie mich doch in »Das Programm« zurückschicken, wenn sie meinen, das tun zu müssen.
»Das Programm«. Furcht krallt sich in mich, und ich überlege, ob ich Kevin gestehen soll, dass ich gar keine Sitzung habe, ob ich ihn bitten soll, mich nicht zu verraten. Aber das wäre einfach nur dumm. Ich muss das durchziehen, und wenn es schiefgeht, muss ich eben leugnen, leugnen, leugnen.
»Du hast dich gut gehalten«, sagt Kevin zu mir. »Ich bin wirklich von den Fortschritten beeindruckt, die du bis jetzt gemacht hast. Nicht alle Rückkehrer sind so kooperativ.«
»Danke«, erwidere ich. Der Passierschein brennt ein Loch in meine Hand, der Beweis, dass sein Vertrauen nicht angebracht ist. »Es freut mich, dass du das sagst.«
»Realm hat mir erzählt, dass du dich im ›Programm‹ bemerkenswert verhalten hast, und nun verstehe ich ihn auch.« Er schweigt einen Moment. »Weißt du, ich war damals dabei, bei euch zu Hause. Ich war einer der Betreuer, die dich in die Einrichtung gebracht haben«, fügt er sanft hinzu. »Du warst … sehr, sehr krank. Ich bin froh, dass du wieder gesund bist. Ich habe wirklich versucht, dich zu unterstützen.«
Ich spüre, wie mir bei seinen Worten alle Farbe aus dem Gesicht weicht. »Du warst dabei?«, ist alles, was ich herausbringe. O Gott! Sie haben mich aus meinem eigenen Elternhaus weggeholt!
Kevin nickt und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Das war ich. Und als Realm mich wegen deiner Entlassung kontaktiert hat, habe ich zunächst gezögert. Ich habe nicht geglaubt, dass du eine gute Kandidatin wärst, aber jetzt weiß ich es. Du bist sehr clever.«
»Kandidatin wofür?«
Kevin zeigt auf das Büro, als wolle er mich daran erinnern, dass ich jetzt die Therapiesitzung habe. Er lächelt, als er mir die Tür aufhält. »Ich werde dafür sorgen, dass Realm sich bald mit dir in Verbindung setzt«, sagt er. »Ich denke, das wird euch beide ziemlich glücklich machen.«
»Ich würde ihn wahnsinnig gern treffen.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Er geht und lässt mich verwirrt im Sekretariat stehen. Kevin hat eine Seite von mir erlebt, an die ich mich nicht erinnern kann. Er hat gesagt, dass ich wirklich sehr krank war. Ich kann mir das nicht einmal vorstellen.
»Kann ich dir helfen?«, fragt die Sekretärin, und ich schrecke zusammen.
Ich sehe sie an, dann schaue ich schnell noch mal über meine Schulter, um mich zu vergewissern, dass Kevin wirklich fort ist. Und sage mit einem Lächeln: »Hallo. Mr. Bellis hätte gern Kopierpapier.«
Ich haste durch die leeren Flure und stopfe das Paket Kopierpapier in meinen Spind. Mein Herz rast vor Angst,
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