Duell der Zauberer
Begeisterung auf die Lehne ihres Sessels. Auf dieses verabredete Zeichen hin stürmten zwei ihrer jüngeren Kinder laut schreiend in den Raum.
»Mutter!« klagte Prinzessin Gelda wütend, »Fernie hat mir mein rotes Band gestohlen.«
»Habe ich nicht!« stritt Prinzessin Ferna diese Anschuldigung empört ab. »Sie hat es mir für meine blauen Perlen gegeben.«
»Habe ich nicht!« fuhr Gelda sie an.
»Hast du wohl!« fauchte Ferna zurück.
»Kinder, Kinder«, tadelte Layla sie. »Seht ihr denn nicht, daß eure Mutter zu tun hat? Was soll denn der Graf bloß von uns denken?«
»Aber sie hat es gestohlen«, protestierte Gelda. »Sie hat mein rotes Band gestohlen.«
»Habe ich nicht«, sagte Ferna und streckte ihrer Schwester gehässig die Zunge heraus.
Hinter ihnen kam mit großen Augen der kleine Prinz Meldig herein, Königin Laylas jüngstes Kind. In einer Hand hielt der Prinz einen Marmeladentopf, und sein Gesicht war großzügig mit dessen Inhalt beschmiert.
»Oh, das ist unmöglich«, rief Layla aufspringend. »Ihr Mädchen solltet doch auf ihn aufpassen.« Sie ging geschäftig zu dem marmeladenverschmierten Prinzen, zerknüllte das Pergament, das sie noch immer in der Hand hielt, und begann, dem Prinzen damit das Gesicht abzuwischen. Unvermittelt hörte sie auf. »O ja«, sagte sie, als ob ihr plötzlich zu Bewußtsein gekommen war, was sie da tat. »War das wichtig, Graf Brador?« fragte sie den Tolnedrer und hielt ihm das verknitterte, klebrige Schriftstück hin.
Brador hatte jedoch seine Niederlage eingesehen. »Nein, Eure Hoheit«, antwortete er resigniert, »nicht sehr. Die königliche Familie von Sendarien ist mir zahlenmäßig inzwischen auch weit überlegen, wie es scheint.« Er erhob sich. »Vielleicht ein andermal«, murmelte er mit einer Verbeugung. »Mit Erlaubnis Eurer Hoheit«, sagte er, bereit zu gehen.
»Ihr dürft dies nicht vergessen, Graf Brador«, rief Layla und drückte ihm das Pergament in die widerstrebenden Hände.
Der Graf sah einem Märtyrer nicht unähnlich, als er sich zurückzog. Königin Layla wandte sich wieder ihren Kindern zu, die sie verschmitzt angrinsten. Sie begann laut auf sie einzuschimpfen, bis sie sicher war, daß der Graf außer Hörweite war, dann kniete sie nieder, umarmte alle drei und lachte.
»Haben wir es gut gemacht, Mutter?« fragte Prinzessin Gelda.
»Ihr wart einfach perfekt«, antwortete Königin Layla lachend.
Sadi der Eunuch war etwas unvorsichtig geworden. Er hatte sich durch die höfliche Haltung, die im vergangenen Jahr im Palast von Sthiss Tor Einzug gehalten hatte, in Sicherheit wiegen lassen, und einer seiner Kollegen hatte seine Unachtsamkeit ausgenutzt und die Gelegenheit ergriffen, ihn zu vergiften. Sadi schätzte es ganz entschieden nicht, vergiftet zu werden. Die Gegenmittel schmeckten alle widerwärtig, und die Nachwirkungen machten ihn schwach und leicht benommen. Daher kam es, daß er dem Erscheinen des in ein Kettenhemd gekleideten Botschafters von Taur Urgas mit nur schlecht verhohlener Gereiztheit entgegensah.
»Taur Urgas, der König der Murgos, grüßt Sadi, den obersten Diener der unsterblichen Salmissra«, deklamierte der Murgo, als er das kühle, schwach beleuchtete Arbeitszimmer betrat, von dem aus Sadi die meisten Staatsangelegenheiten regelte.
»Der Diener der Schlangenkönigin erwidert den Gruß des rechten Arms des Drachengottes von Angarak.« Sadi kam diese förmliche Phrase fast unbeteiligt über die Lippen. »Könnten wir zur Sache kommen? Ich fühle mich im Moment nicht besonders wohl.«
»Ich war sehr erfreut, als ich von deiner Genesung hörte«, log der Botschafter, sorgsam darauf achtend, daß sein vernarbtes Gesicht keinerlei Gefühle verriet. »Hat man den Giftmischer schon gefunden?« Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den polierten Tisch, den Sadi als Schreibtisch benutzte.
»Natürlich«, antwortete Sadi und fuhr sich geistesabwesend mit der Hand über seinen rasierten Schädel.
»Und hingerichtet?«
»Warum sollten wir das tun? Der Mann ist ein professioneller Giftmischer. Er hat nur seine Arbeit getan.«
Der Murgo sah ihn verblüfft an.
»Wir betrachten einen guten Giftmischer als staatliches Guthaben«, sagte Sadi. »Wenn wir jeden von ihnen töten wollten, wenn sie jemanden vergiften, wären bald keine mehr übrig, und man weiß nie, wann man selbst gern jemand vergiften würde.«
Der Murgobotschafter schüttelte ungläubig den Kopf. »Dein Volk ist erstaunlich tolerant, Sadi«,
Weitere Kostenlose Bücher