Duell im Eis
Geheimnisträger gehörte, zum Mitwisser und Mitgestalter eines unheimlichen Zukunftsprojektes.
Am nächsten Abend holte Lester Sinclair-Brown mit einem Strauß aus drei roten Rosen Virginia vom Airport San Francisco ab. Er küßte sie auf die Stirn, legte den Arm um sie und sagte in seiner trockenen Art: »Ich nehme an, ich hatte recht: Wir müssen ein Kind machen.«
»Irrtum, Les.« Sie lachte und lehnte den Kopf an seine Schulter. »Deine Flasche Whiskey – McLolland Bourbon, deine Lieblingsmarke – liegt in meiner Tasche. Du hattest unrecht.«
»Also keine militärische Geheimsache?«
»Doch.«
»Wieso habe ich da unrecht?«
»Weil man mich nicht mehr oder weniger gezwungen hat zuzusagen, sondern weil ich freiwillig mitmache.«
»Du bist verrückt, Ginny!« Lester blieb ruckartig stehen. »Haben sie mit dir in Washington eine Gehirnwäsche gemacht?«
»Ich werde für einige Zeit aus San Francisco wegziehen …«
»Wohin?«
»Das gehört zu den Geheimnissen …«
»Welchen Geheimnissen?«
»Vergiß es, Les, und laß uns von was anderem reden. Es gibt so viel Themen …«
»Aber nur eins, das mich zur Zeit interessiert: Du ziehst nach Washington?«
»Nein.«
»Nach Norfolk?«
»Mein Gott, was soll ich in Norfolk?«
»Dort befindet sich die Marinebasis für den Atlantik.«
»Was habe ich damit zu schaffen?!«
»Du fliegst nach Europa?«
»Um Himmels willen, nein! Les, frag nicht weiter. Auch wenn du's treffen solltest – was ausgeschlossen ist –, werde ich immer nein sagen.« Sie klinkte die Tür des Autos auf, stieg ein und lehnte sich in die Lederpolster zurück. Lester Sinclair-Brown leistete sich einen Luxuswagen, einen weißen Chevrolet mit roten Lederpolstern, das einzig Auffällige an ihm, wie Virginia einmal treffsicher gesagt hatte, als sie in einen kleinen Streit geraten waren.
Lester klemmte sich hinter das Lenkrad, aber er ließ den Motor noch nicht an. »Wohin?« fragte er. »Zu dir oder zu mir?«
»Was du willst. Weder da noch dort gehe ich mit dir ins Bett. Das ist vorbei.«
»Gehört das auch zu deiner neuen Aufgabe?«
»Ja. Ich kann mir keinen Ausfall durch ein Kind leisten. Und, Lester, versteh es richtig: Ich muß frei sein.«
»Wer soll das verstehen, Ginny? Ich nicht! Wirst du Vorsteherin eines Nonnenklosters? Das paßt nicht zu dir. Selbst die Amöben in deinem Labor vermehren sich.«
»Jetzt wirst du geschmacklos, Lester. Fahr mich zu mir!«
Es war der letzte Abend, den Virginia mit Lester verbrachte. Ein ganz normaler Abend ohne Anfassen und Küssen, ohne Sprung ins Bett und dann unter die Dusche. Ein Abend, an dem sie fernsahen und dazu den mitgebrachten Whiskey tranken – Virginia stark mit Eiswasser verdünnt, Lester pur – und es tunlich vermieden, Washington in den Mund zu nehmen.
Gegen ein Uhr früh erhob sich Lester von der Couch und machte drei Kniebeugen, womit er ausdrückte, daß er das Herumsitzen satt hatte. »Ich gehe, Ginny«, sagte er danach. »Ich habe morgen drei Vorlesungen hintereinander. Was hast du morgen für Pläne?«
»Ich muß dem Präsidenten der Universität meinen Entschluß mitteilen, Shakes' Institut zu verlassen.«
»Sie werden schwarze Fahnen hissen, und das Weinen wird über die Bay bis in die City dringen.«
»Du warst schon mal besser in Ironie, Les.« Virginia erhob sich auch, trat auf ihn zu und küßte ihn auf den Mund. Vor Verblüffung ließ er die Lippen offen. Plötzlich sah er dumm aus.
»Was heißt das nach fünf Stunden Abstinenz?« fragte er etwas heiser.
»Das heißt: Du bist ein lieber Kerl, und ich werde dich immer in bester Erinnerung behalten.«
»Ein Abschied also …«
»Vorerst.«
»Wann fährst du, und wann kommst du wieder?«
»Beides ist ungewiß. Les, benehmen wir uns wie vernünftige Menschen, die wir ja sind. Ich mag dich …«
»Das ist es, Ginny. Du hast noch nie gesagt: Ich liebe dich … Zwischen Mögen und Lieben liegt ein Ozean! Sehen wir uns noch einmal vor deiner Reise ins Geheimnis?«
»Wenn du willst.«
»Ich will immer. Ich liebe dich, Ginny.« Er drehte sich um, verließ schnell das Zimmer, durchquerte die Diele und lief hinaus zum Lift. Er flüchtete, um nicht zu zeigen, wie weh ihm diese Minute tat.
Und Virginia war klug genug, ihm nicht nachzulaufen oder nur seinen Namen zu rufen …
Der Befehl kam ganz unvermittelt, ohne vorherige Anzeichen: Die Admiralität in Moskau befahl das Auslaufen der Expeditionsflotte.
Sujin selbst rief Schesjekin auf Sachalin an und sagte:
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