Duell: Island Krimi (German Edition)
nicht«, sagte Viðar, ohne das Bild anzusehen.
»Wir können nicht recht glauben, dass du ihn nicht kennst«, sagte Marian und setzte sich auf einen Stuhl vor Viðars Schreibtisch. »Wir haben mit einer Frau gesprochen, die in den dreißiger Jahren zur gleichen Zeit wie du in Moskau war. Ich weiß nicht, ob du dich an sie erinnerst, sie heißt Hrefna. Kennst du sie? Erinnerst du dich an sie?«
»Habt ihr diese Informationen etwa von Hrefna?«
»Nein. Aber sie sagt, dass sie sich gut an dich erinnert, und auch an diesen Mann, zu dem du mehr Kontakt hattest als zu anderen Russen. Kannst du mir vielleicht sagen, wie er heißt?«
Viðar antwortete nicht.
»Heißt er nicht Juri Vygocki? Sagt dir der Name etwas?«
Viðar blieb stumm.
»Kennst du diesen Namen?«
Albert setzte sich auf einen anderen Stuhl. Viðar zeigte keine Reaktion. Er stand wie angewurzelt an der Tür und machte keine Anstalten, die Frage zu beantworten.
»Na, schön«, sagte Marian. »Ihr wart in Moskau befreundet, das wissen wir. Und du streitest es nicht ab. Wir gehen auch davon aus, dass ihr die ganzen Jahre danach Kontakt hattet.«
Viðar reagierte nicht.
»Vielleicht sollten wir diese Unterhaltung im Borgartún fortführen?«, warf Albert ein.
»Ja, nur einen Moment noch«, sagte Marian. »Wir wissen nicht, in welcher Form ihr eure Verbindung aufrechterhalten habt. Wahrscheinlich brieflich, und diese Briefe wirst du uns zeigen müssen. Vermutlich auch durch einige Besuche. In dem Fall bist du zu ihm gefahren, denn soweit wir wissen, reist er kaum ins Ausland, sozusagen nie. Ihr habt euch bei verschiedenen Tagungen und Konferenzen getroffen, wahrscheinlich in Sotschi oder in Odessa. Hat man euch nicht ständig zu den Sonnenstränden in der Sowjetunion eingeladen? Die Jahre vergehen. Über was unterhaltet ihr euch? Was habt ihr für Gemeinsamkeiten? Wir wissen, dass er beim sowjetischen Geheimdienst ist und es dort weit gebracht hat. Vermutlich der Dritte von oben, der aber noch höhere Ziele anstrebt. Vielleicht hast du ihm Briefe geschrieben über die amerikanischen Militäreinheiten hier auf dem Stützpunkt in Keflavík. Über wohlgesonnene Minister und wohlwollende Amtsträger, was weiß ich. Und dann auf einmal reist er nach Island. Weshalb? Weil die Sowjets unbedingt im Schach gewinnen müssen?«
Viðar schüttelte den Kopf.
»Rauchst du?«, fragte Albert.
Viðar starrte Marian an.
»Du befindest dich auf dem Holzweg«, sagte er. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Dürfte ich vielleicht die Marke sehen, die du rauchst?«, fragte Albert. »Hast du eine Schachtel dabei?«
»Nein, ich habe keine Schachtel dabei«, sagte Viðar.
»Die Sache mit Juri Vygocki ist nämlich die: Wir wissen, dass er in der Fünfuhrvorstellung im Hafnarbíó war, als Ragnar erstochen wurde«, sagte Marian. »Wir haben eine Zeugin, die ihn dort gesehen und auf dem Foto wiedererkannt hat, das ich dir gezeigt habe. Diese Zeugin sagt aus, dass Juri Vygocki im Kino hinter ihr gesessen hat. Sie musste sich das Foto nur ganz kurz anschauen, um ihn wiederzuerkennen.«
Albert stand auf und ging zu Viðars Schreibtisch, auf dem ein großer Aschenbecher mit zahlreichen Kippen stand.
»Was machst du da?«, fragte Viðar.
Albert nahm eine Kippe aus dem Aschenbecher.
»Ist das die Marke, die du rauchst?«, fragte er.
Der Stummel, den er in der Hand hielt, war von einer Papirossa.
»Was war es, das der junge Mann nicht hören durfte?«, fragte Marian wieder. »Wo sind seine Kassetten und der Rekorder?«
Viðar antwortete nicht. Vor lauter Erregung lief er rot an.
»Und was sollte das Theater bei der dritten Partie?«, sagte Marian und sah auf den Zigarettenstummel, den Albert hochhielt. »Wieso musste die Partie im Tischtennisraum ausgetragen werden?«
»Die dritte Partie?«
»Was weißt du darüber? Hat es etwas mit deinem Freund zu tun? Versuchen sie etwa die Ergebnisse zu manipulieren? Ist dein Freund vielleicht deswegen nach Island gekommen?«
Neununddreißig
Viðar starrte eine Weile auf den Zigarettenstummel in Alberts Fingern, und dann sah er Marian an. Das Schweigen zwischen ihnen war erdrückend. Viðar schien gerade etwas sagen zu wollen, als angeklopft wurde. Er schrak zusammen. Eine ältere Frau streckte den Kopf zur Tür herein, um zu sagen, dass die Sitzung bereits begonnen hätte, ob Viðar nicht kommen würde.
»Was für eine Besprechung?«, fragte Viðar, und die Frau an der Tür spürte, dass etwas nicht in Ordnung war.
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