Duell: Island Krimi (German Edition)
diesem Kino. Ich … Ihr dürft einfach nicht in die sowjetische Botschaft gehen, allerfrühestens morgen. Nicht heute. Auf keinen Fall heute. Es stehen Menschenleben auf dem Spiel. Und das gilt auch für mich. Ihr dürft mich nicht jetzt gleich hinter Schloss und Riegel bringen. Nicht jetzt. Erst morgen. Bitte, wartet damit bis morgen.«
»Was für Menschenleben?«, fragte Marian. »Was soll das alles eigentlich? Wieso ist dein Leben in Gefahr?«
»Ich war nicht in dem Kino«, erklärte Viðar und sah Albert an. »Erst übers Radio habe ich erfahren, was da passiert ist. Ich war nur draußen vor dem Kino und habe beobachtet, wer in die Vorstellung ging.«
»Es gab also doch einen dritten Mann?«, fragte Marian.
Viðar nickte.
»Wer war das?«, fragte Marian.
»Falls ihr die russische Botschaft da raushaltet …«
»Du bist nicht in der Position, uns Bedingungen zu stellen«, entgegnete Marian. »Geht es darum, Bobby Fischer auszuschalten? Geht es darum, dafür zu sorgen, dass er bei diesem Match als Verlierer vom Tisch geht?«
Viðar gab keine Antwort.
»Für euch geht es darum, dass Spasski siegt, nicht wahr? Und wie wollt ihr das hinbekommen? Wird Fischer von euch abgehört? Verwendet ihr dazu elektronische Geräte? Chemische Substanzen? Wollt ihr Bobby Fischer umbringen? Wie sieht eurer Plan aus, wie wollt ihr Spasski den Sieg sichern?«
Viðar rührte sich nicht vom Fleck und schüttelte den Kopf.
»Hat dieser Ragnar von euren Plänen gehört?«, fragte Albert. »Ihr hattet nicht die geringste Ahnung, dass da jemand mit einem Kassettenrekorder im Kinosaal war. Für was habt ihr ihn eigentlich gehalten? Für einen gefährlichen Agenten? Warum musstet ihr den Jungen umbringen? Was bezweckt ihr mit all dem?«
Viðars Blicke wanderten immer noch zwischen Marian und Albert hin und her.
»Herr Gott nochmal«, stöhnte er, »ihr seht das alles total verkehrt.«
»Du kommst jetzt mit uns«, sagte Marian und stand auf. »Du bekommst genügend Zeit, um uns alles zu erklären.«
»Es sind hier Dinge im Gange, die ihr nicht begreift, und es ist im Augenblick sehr schwierig, darüber zu reden«, sagte Viðar. »Es ist ganz richtig, es hat mit der Schachweltmeisterschaft zu tun, aber nicht so, wie ihr denkt. Die Sowjets versuchen nicht, Einfluss auf das Match zu nehmen. Das ist vollkommen absurd!«
»Und was war dann mit der dritten Partie, ging das nicht von euch aus?«
»Ich weiß nichts über die dritte Partie«, sagte Viðar. »Ich habe keine Ahnung, warum sie in dem Tischtennisraum gespielt haben. Wieso fragst du mich danach? Ich weiß wirklich nichts darüber. Mir ist völlig schleierhaft, wovon du redest. Es geht überhaupt nicht um Schach!«
Albert wollte Viðar am Arm packen, aber der entzog sich seinem Griff.
»Ihr macht einen Fehler.«
»Sicher«, stimmte Marian zu.
Albert bekam Viðar zu fassen.
»Können wir nicht wie normale Menschen mit dieser Situation umgehen?«, fragte Viðar. »Ich werde mit euch kommen, ihr braucht mich wirklich nicht abzuführen. Ich möchte nur hier an meinem Arbeitsplatz kein unnötiges Aufsehen erregen.«
»Warum dürfen wir der sowjetischen Botschaft keinen Besuch abstatten?«, fragte Marian. »Hast du nicht dein Leben lang der UdSSR Lob und Preis gesungen? Weshalb dürfen wir dann nicht hin, um uns mit ihnen zu unterhalten?«
»Bitte, geht nicht hin«, bat Viðar. »Macht das erst morgen, tut mir bitte den Gefallen.«
»Weshalb?«, fragte Albert. »Was wird sich bis dahin geändert haben?«
»Darauf kann ich nicht eingehen«, erklärte Viðar. »Weiß jemand davon, dass ihr mich im Verdacht habt? Könnt ihr mir zumindest das sagen?«
»Glaubst du, dass dir etwas zustoßen könnte?«, fragte Albert.
Viðar schwieg.
»Vor wem oder was hast du Angst?«, fragte Marian.
Viðar schüttelte resignierend den Kopf. Albert führte ihn zur Tür. Marian öffnete sie und betrat den schmalen Korridor.
»Ich denke nicht an mich selber«, flüsterte Viðar. »Ich denke an andere Menschen. Andere sind in Gefahr, nicht ich.«
Plötzlich kam die Frau, die Viðar an die Sitzung erinnert hatte, auf sie zu.
»Viðar, mein Lieber«, sagte sie freundlich, »darf ich dich einen Augenblick stören? Die Sitzung wurde vertagt, und ich muss dich bitten, dir noch etwas wegen Hafsteinn anzusehen. Es wird nicht lange dauern. Er glaubt, dass uns da ein rechnerischer Fehler unterlaufen ist.«
Viðar versuchte zu lächeln. Er sah die Kriminalbeamten an, doch Albert schüttelte den
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