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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Vikki und im Aufarbeiten der bisherigen Erkenntnisse über ihr Verschwinden, dachte Tjark. Er ging zurück zum Sofa, an dessen Enden sich die Berichte aus der KTU und der Rechtsmedizin stapelten. Er stellte das Glas auf den Tisch und warf einen Blick auf den Fernseher, wo die aktuellen DAX-Notierungen vermeldet wurden. Dann schaltete er das Gerät mit der Fernbedienung ab und den Festplattenrekorder an. Im nächsten Moment hämmerten Audioslave aus den Boxen und Chris Cornells aggressive Stimme, die Drown me slowly forderte: Ertränke mich langsam. Tjark trank einen großen Schluck Saft und nahm sich die übrigen Untersuchungsberichte vor.
    Die Kopfschüsse hatten vor allem dem Kiefer gegolten, waren wahrscheinlich aufgesetzt erfolgt und hatten die Zähne der Opfer pulverisiert. Bei den alkoholischen Substanzen, soweit sie in Mageninhalten noch festzustellen gewesen waren, handelte es sich zum Teil um Bier. Tjark stellte sich die jungen Frauen vor, irgendwo in einer Disko, »dressed to kill« – was jemand als eine konkrete Aufforderung verstanden hatte. Er hatte sie angesprochen, mit ihnen geflirtet, sie abgefüllt und anschließend überwältigt. Einem alten, schwachen oder hässlichen Mann wäre das wohl kaum geglückt. Vielmehr musste der Kerl über Charisma und ein entsprechendes Auftreten verfügen, um auf Anhieb zu beeindrucken. Beides war bei Psychopathen nicht selten. Vielleicht hatte der Mann zudem Geld und fuhr ein dickes Auto. Alternativ konnte es sein, dass die Opfer mit dem Täter persönlich bekannt waren.
    Bemerkenswert war das inzwischen ausgelesene Protokoll des Handys, das tatsächlich Vikki Rickmers gehörte. Sie hatte in den vergangenen Tagen diverse belanglose SMS mit ihrer Mitbewohnerin ausgetauscht. Sie hatte Versandbestätigungen von Online-Shops erhalten, wo sie Bekleidung und Schmuck bestellt hatte. Weiter hatte sie – allerdings einige Tage vor ihrem Verschwinden – Telefonate mit dem Betreiber des 69 geführt.
    Interessant war der vorletzte Eintrag im Protokoll. Er hatte eine Werlesieler Vorwahl und am Ende der Rufnummer eine Null, was auf eine Zentrale hindeutete. Der Anruf war am Tag vor Vikkis Verschwinden um 11.23 Uhr eingegangen und hatte knapp zwei Minuten gedauert. Die Nummer gehörte zur Werlesieler Brauerei. Das musste nichts heißen. Vielleicht hatte Vikki sich dort um einen Job beworben und war zu einem Gespräch eingeladen worden, was sich rasch feststellen lassen würde. Die letzte Nummer, die Vikki von ihrem Handy aus angerufen hatte, war dann die 110 gewesen.
    Tjark legte die Ausdrucke zur Seite, griff nach einer Luftaufnahme von Werlesiel und massierte sich mit der freien Hand den Nasenrücken. Wenn der Täter, wie Femke vorgeschlagen hatte, die Leichen mit einem Boot zu seinem Friedhof brachte, dann musste dieses Boot irgendwo vor Anker liegen. Auf diesem Boot würde sich DNA der Opfer finden lassen. Selbst wenn es noch so gut gereinigt worden war, fanden die Fachleute von der KTU letztlich immer etwas – und seien es nur die Rückstände von großflächig verteilter Bleiche oder Lösungsmittel. In der Regel waren Boote irgendwo registriert. Wo Boote registriert waren, musste es Listen über Eigner geben. Tjark machte sich eine Notiz, dass er oder Fred sich darum kümmerten. Außerhalb von Werlesiel befanden sich entlang der Küste im Umkreis von dreißig Kilometern diverse Häfen, die in Frage kämen – inklusive der Anlegestellen auf den Inseln. Aber das Wattenmeer war flach und insbesondere in den Uferbereichen sehr seicht. Tjark konnte sich nicht vorstellen, dass jemand mit einem Segelboot nah genug ans Ufer kam, um dort einen menschlichen Körper auszuladen. Man müsste ihn tragen und durch den Schlick stapfen. Zudem wäre das recht auffällig – allein wegen der hohen Masten eines Seglers. Mit einem kleinen Motorboot wäre das hingegen eine andere Sache.
    Aber warum ertränkte der Killer die Frauen? Und warum musste ausgerechnet Tjark es mit einem Irren zu tun bekommen, der für diese Todesart ein Faible hatte? Stroboskopartig blitzten ihm die Bilder durch den Kopf, seine altbekannten Begleiter. Das schwarze Wasser. Der Kälteschock. Panisches Rudern und die vom Meer getränkte Kleidung, die den Körper unablässig nach unten zieht. Die Erkenntnis, was geschehen wird. Schließlich das verzweifelte Öffnen des Mundes in der Hoffnung, dass sich irgendwo in der allumfassenden Schwärze ein wenig Sauerstoff befinden könnte. Und der Druck, der auf Kopf und

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