Duenenmord
Rolf unglücklich gestürzt und insHafenbecken gefallen sei. Jede Hilfe sei zu spät gekommen. Ende, aus. Mithin also keine Neuigkeiten.«
»Nun, das kann man nicht ausschließen, oder?«, gab Kasper zu bedenken. »Vielleicht vermutete oder befürchtete sie mehr Unheil, als sich tatsächlich ereignet hatte. Die Jungs waren entkräftet und müde, Stürze und Unfälle sind häufiger passiert.«
»Ja, möglich. Monika hatte inzwischen aber von anderer Seite erfahren, dass Rolf zu einer Gruppe von Spatis gehörte, die sich im Zusammenhang mit der Kommunalwahl 1984 kritisch engagiert hatte, was in ihrem Elternhaus nie erwähnt worden war«, wandte Keil ein. »Im Fotoarchiv des Dokumentationszentrums existieren einige Aufnahmen von den mutigen Jungs, die einer von ihnen damals geknipst hatte, und Rolf konnte eindeutig identifiziert werden. Heise hat über die ganze Geschichte kein Wort verloren und war auch zu keinem weiteren Gespräch mehr bereit. Als Freund hätte er doch …«
»Wie darf ich mir dieses kritische Engagement eigentlich vorstellen?«, unterbrach Romy ihn.
»Sie haben einen Bausoldaten in den Wahlvorstand entsandt und an der Auszählung teilgenommen, was ihnen nach dem DDR-Wahlgesetz auch zustand.«
Keil setzte eine bedeutungsvolle Miene auf und blickte Romy auffordernd an. »Das war für DDR-Verhältnisse eine richtig große Sache! Hinzu kam, dass die Zahl der veröffentlichten Nein-Stimmen für den Kreis Rügen in bemerkenswerter Weise von denen abwich, die allein bereits die Prorarer Bausoldaten ausgezählt hatten. Raten Sie mal, in welcher Weise?«
»Es gab mehr Nein-Stimmen, als man wahrhaben wollte?«, riet Romy.
»Natürlich. Später wurde dann die abenteuerlich anmutende Erklärung abgegeben, dass aus Geheimhaltungsgründendie Wahlstimmen von NVA-Angehörigen nach einem ganz besonderen Schlüssel auf andere Wahlkreise aufgeteilt würden.« Keil tippte sich an die Stirn. »Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte man sich ausschütten können vor Lachen.«
»Und was ist mit dem anderen Ex-Spati – Bäsler?«, fragte Kasper.
»Den konnte Monika nicht ausfindig machen, und meine Hilfe wollte sie auch nicht annehmen. Sie lehnte sie regelrecht brüsk ab, als ich sie ihr anbot.«
»Warum das denn?«
»Gute Frage – so ganz habe ich das auch nicht verstanden. Vielleicht war die Reaktion ihrer schlechten Stimmung geschuldet, weil sie annahm, dass sie mit ihren Nachforschungen ohnehin nicht mehr allzuweit kommen würde«, überlegte Keil. »Aber bisweilen hat Monika einfach nur ganz allein ihr Ding durchziehen wollen, ohne sich großartig darüber auszulassen oder gar zu rechtfertigen. Manches, denke ich, wollte sie schlicht für sich behalten.« Er nickte. »Kann ich verstehen. Ich glaube, ihr Vater ist ein richtiger Kotzbrocken, und welche Fäden der Typ gezogen hat, möchte ich gar nicht wissen.«
Romy lächelte Keil liebenswürdig an. »Sie mochten sie, stimmt’s?«
»Sehr. Aber ich hatte nichts mit ihr, wenn Sie darauf hinauswollen. Und ich hatte gestern Dienst bis neun Uhr.« Er lächelte zurück, für einen Moment nahezu amüsiert.
»Erwähnte Monika bei ihrem Aufbruch, dass sie noch etwas vorhatte?«
»Nein. Für mich wirkte es, als würde sie nach Hause fahren.«
»Gut.« Kasper Schneider bedankte sich für Keils Gesprächsbereitschaft, und kurz darauf fiel die Tür hinter dem Jugendbetreuer ins Schloss.
In Romys Kopf summte es wie in einem Bienenstock.
»Die aufgedeckte Wahlmanipulation war damals ein richtig dickes Ding«, bemerkte Kasper und legte die Arme auf den Tisch. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es hier und an höherer Stelle gegrummelt hat.«
»Ich weiß, mir fehlt das Alter und der Background«, erwiderte Romy und raffte sich zu einem müden Lächeln auf. »Du warst seinerzeit Hauptmann der Kriminalpolizei, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Was habt ihr eigentlich mitbekommen von dem Schicksal der Spatis?«
»Nicht viel, wenn man nicht genau hingeguckt hat. Aber wir wussten, dass die Jungs bis zum Umfallen schuften mussten und so für ihre Waffenverweigerung bestraft wurden, nicht nur hier auf Rügen. Das war allen klar.« Kasper biss sich auf die Unterlippe und schwieg.
»Wir haben einiges aufzuarbeiten«, resümierte Romy nach kurzer Pause. »Stefan Heise, Jochen Bäsler, die Fotos aus dem Archiv, und ein Gespräch mit Sängers Mutter ist unumgänglich.« Aber nicht heute, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie war erschöpft. »Was fehlt noch?«
»David
Weitere Kostenlose Bücher