Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
weiter auf mich zukam. „Hallo Yves. Ich wusste ja gar nicht, dass du auch reitest“, grüßte er und maß mich mit einem Blick von oben bis unten.
„Ja, mein Zotteltier steht da vorn. Giacomo.“
Er trat neben seine Alhambra und reckte den Hals, um meinen Wallach anzusehen.
Ich wandte mich wieder um und holte alles, was ich brauchen würde, um meinen Dreckspatz von einem Pferd wieder in ein edles Reittier zu verwandeln. Und Giacomo genoss die massierenden Striegeleien offenbar sehr. Wie immer sprach ich leise mit ihm und ließ mir Zeit. Ich hatte ihn in den letzten Wochen durch meine Abwesenheit vernachlässigt, auch wenn ich wusste, dass er während der Ferien wenigstens in der Halle bewegt wurde.
In mein abwesendes Gemurmel hinein sprach mich Kylian wieder an. „Hey, reitest du aus oder gehst du in die Halle?“
„Raus. Ich reite ihn fast ausschließlich im Gelände.“
„Er ist echt schick“, sagte Kylian und strich mit der Hand über das bereits glänzende Fell meines Wallachs. „Wie alt ist er?“
„Wird sieben dieses Jahr. Musst du nicht langsam los?“, fragte ich mit einem Seitenblick auf die fertig aufgezäumte Stute hinter ihm.
Er sah mich erschrocken an und ich bemerkte, dass ich viel schroffer geklungen haben musste, als geplant.
„Oh, sorry, ich wollte dich nicht stören …“ Er wandte sich um und führte Alhambra die Gasse entlang zum Stalltor.
Ich sah ihm nach, dann holte ich Sattel und Trense für Giacomo und spürte die Vorfreude, ihn gleich über die Wiesen zu treiben. Ganz sicher hatte er es satt, in der Halle longiert oder geritten zu werden, und würde mir draußen gleich echt was bieten. Seine Faulheit hatte er jetzt schon vergessen und trat immer wieder unruhig von einem Bein auf das andere.
„Ist ja gut, Dicker, los, komm!“ Ich führte ihn hinaus und saß auf.
Die Hufspuren im Schnee auf der Wiese zum See hinab ließen mich die Stirn runzeln. Dann wurde mir klar, dass Kylian auch für einen Ausritt angezogen gewesen war. Sicher hatte er einen ähnlichen Weg eingeschlagen wie den, den ich zu nehmen gedachte.
Giacomo war tatsächlich ein wenig angepiekst von der fehlenden Frischluftbewegung und schien nachholen zu wollen, was er verpasst zu haben glaubte, jedenfalls reichten kleinste Hilfen schon, um ihn auf Trab zu bringen und wenig später genoss ich den wilden Galopp über die schneebedeckten Wiesen. Ein Glück, dass ich den Weg kannte, den wir ohne Risiko nehmen konnten.
Wieder glitten meine Gedanken zu Kylian. Ob er in den letzten Tagen auch schon hier unterwegs gewesen war? Hoffentlich geriet er hier nicht in Schwierigkeiten. Das Gelände war zwar schön und größtenteils überschaubar, aber es gab eben auch Klippen an unerwarteten Stellen und versteckt liegende Wildbäche. Moment mal, machte ich mir jetzt Sorgen um ihn? Das war nicht gut, gar nicht gut. Wobei … ich mochte ihn, wieso sollte er mir da egal sein?
Ich wollte schließlich nicht mit ihm ins Bett und ich würde mir um Frank und meine anderen Mitbewohner definitiv noch mehr Sorgen machen.
Nein, ich durfte mich jetzt von Zacharys Hinweise aus der Fassung bringen lassen, sonst geriet ich am Ende noch in Schuldgefühle, die mich nur weiter verunsicherten.
Immerhin wollte ich mehr über Kylian erfahren, er war durch seine Wirkung auf mich eben doch ein Unsicherheitsfaktor in Sachen Etiennes Schutz. Ich musste herausfinden, wieso er mich so anzog.
Ich verhielt Giacomo auf einem der höheren Hügel und sah mich um. Rechts von mir lag einige Höhenmeter tiefer und dann in die Moränenberge übergehend ein Wald, der sich nach Norden am Fuß der felsigen Landverwerfungen entlang zog, links von mir lagen die offenen, jetzt kaum zu unterscheidenden schneebedeckten Hügel des Hochmoors und an seinem tiefsten Punkt lag ein sehr tiefer und langgezogener See.
Ich dachte an Etienne und daran, dass ich mit ihm im Sommer unbedingt mal zum Baden an den See reiten wollte. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich war froh, dass es keine Zeugen für meine Verträumtheit gab. Ich konnte einfach nichts dagegen tun, allein die Vorstellung, dort mit dem schönen Etienne durch das Wasser zu toben, ihn an mich zu ziehen und zu küssen versetzte mich selbst in dieser bitterkalten Januarluft schon in helle Aufregung.
Giacomo drehte den Kopf nach links und ich hörte leises, dumpfes Hufgetrappel näherkommen. Sofort fuhr ich ertappt herum und ärgerte mich, dass ich meiner wilden Fantasie von einem nur spärlich
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