Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
kein Feuerwart war.
Wir schlenderten in Richtung Grill und natürlich hatte Yves meine Hand längst wieder losgelassen. Nach wie vor galt für alle Schüler, dass öffentlich zur Schau gestellte Techtelmechtel oder gar Beziehungen tabu waren. Dekan Miles hatte das ausführlich begründet, indem er eine Diskriminierung der heterosexuellen Mitschüler vermeiden wollte. Für Yves und mich war es einfach, wir lebten unter einem Dach, konnten uns sehen, wann immer wir wollten, aber die Jungs, die Freundinnen in Winchurch oder gar bei sich zu Hause hatten, waren echt arm dran, wie wir fanden. Deshalb fiel es uns auch nicht schwer, der Regel von Dekan Miles zu folgen.
„Hallo Zachary!“, grüßten wir unisono und beide Männer fuhren zu uns herum.
Der Geruch von beiden stieg mir in die Nase und ich blinzelte verblüfft. Ja, tatsächlich, unser Dekan und der beliebte Buchhändler sahen uns ertappt an und das ganz zu Recht! Seit Wochen überlegte ich, nach wem Zachary an dem Sonntag bei unserem Kurzbesuch gerochen hatte. Nun wusste ich es. Mein ‚Onkel‘ und unser Dekan waren ein Paar!
„Hallo Jungs, alles klar bei euch?“, fragte Zachary und fasste sich wieder. Ich musste mich sehr beherrschen, um nicht dreckig zu grinsen. Ob Yves es auch bemerkt hatte? Aber wie sollte er? Er hatte einfach nicht meine feine Nase.
Es war, abgesehen von den Feuern und den Kohlen am Grill, den überall aufgehängten Lampions, sehr dunkel und ich wagte es, nach Yves Hand zu greifen. Zachary wusste doch sowieso Bescheid.
„Ja, alles prima. Ich hoffe, hier wird nicht gerade über meinen Schützling getratscht?“, sagte Yves und drückte meine Hand. Wir standen so dicht nebeneinander, dass unsere verschränkten Finger hinter unseren Rücken lagen.
„Aber wie würden wir denn? Zu einer solchen Konferenz würden wir dich doch jederzeit dazu holen!“, blödelte Dekan Miles und lachte.
„Ich staune, dass du hier bist, Zachary. Hattest du solche Sehnsucht?“, fragte ich und mir war bewusst, wie zweideutig ich mich ausgedrückt hatte.
Er nickte. „Klar, ich musste doch mal sehen, was mein Lieblingsneffe macht, wenn er am Wochenende nicht mein Haus belagert …“
Wir lachten.
„Also ich glaube ja, du wolltest die berühmten Grillkünste von Dekan Miles testen und dich an den Winchurchsalaten sattfuttern.“ Yves nickte bestätigend zu seinen eigenen Worten.
„Habt ihr an eurem Feuer noch ein paar Plätzchen frei?“, fragte der Dekan und wir nickten. „Dann lass deinen Onkel jetzt in Ruhe essen und danach kommen wir zu euch.“
Wir verstanden den Wink und ich zog Yves mit mir, absichtlich so, dass unser Direktor unsere ineinander verschlungenen Hände sah.
„Ich muss dir was erzählen!“, flüsterte ich, sobald wir aus dem Lichtkreis am Grill herauswaren.
„Und was?“
„Ich weiß jetzt, wieso Zachary keine Freundin hat!“
„Ah ja?“
„Ja, er hat einen Freund!“ Ich lachte fröhlich, denn mir gefiel das wirklich gut. Ich fragte mich zwar, wie die beiden sich seit meiner Ankunft getroffen hatten, ohne dass ich es bemerkt hatte, aber letztlich war das egal, oder?
„Warte mal … Du meinst …!“, wisperte Yves zurück und warf einen Blick über seine Schulter zum Grill.
„Ja, genau. Zachary roch vor zwei Wochen nach jemandem, den ich nicht zuordnen konnte. Ich wusste, es war jemand, den ich kannte, aber nicht, wer. Und grade eben hat meine Nase es mir verraten.“
„ Mon dieu ! Das ist … irgendwie toll, finde ich!“
Ich nickte. „Ja, ist es. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich Miles nicht für schwul gehalten hätte …“
Yves lachte mich kopfschüttelnd an. „Etienne, das dürfte genau sein Ziel sein.“
Wir setzten uns wieder ans Feuer und hielten weiterhin Händchen. Eigentlich müsste das heute Abend erlaubt sein, denn wir sahen zwei Winchurchmädchen und etliche gemischte Paare, die weit mehr taten, als nur dicht nebeneinanderzusitzen und sich zu berühren. Wildes Geknutsche und Gefummel war das!
Es störte uns nicht, ehrlich gesagt gönnte ich es jedem, dass er jemanden fand, mit dem er gern zusammen war. Auch wenn ich wusste, dass nicht jeder so einen perfekten Partner finden konnte wie Yves und ich. Also, zumindest ich hielt Yves für perfekt. Für ihn konnte ich nicht sprechen, auch wenn er oft genug betonte, wie unfassbar er unsere vollkommene Zusammengehörigkeit fand.
Als Zachary und Dekan Miles sich zu uns setzten, fühlte sich das irgendwie gut an. Ich musterte beide immer wieder.
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