Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
den Flugzeugsesseln saßen und der Start hinter uns lag .
„Ich war nicht immer Buchhändler, weißt du?“, erwiderte er mit einem schelmischen grinsen auf mein Lob hin.
„Sondern?“
„Mein Lebenslauf ist lang, aber die meiste Zeit habe ich nach meinem Studium beim Security Service verbracht.“
„Bei einem Sicherheitsdienst?“, hakte ich nach, weil ich an Nachtwächter und Typen mit großen Taschenlampen dachte.
Er kicherte. „Entschuldige, vermutlich kennt man den Security Service im Rest der Welt eher unter dem Namen MI5. Military Intelligence, Section 5. Der britische Inlandsgeheimdienst.“
Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Das war echt zu krass. Zachary wuschelte durch mein Haar und lachte. „Hättest du nicht erwartet, was?“
Ich schaffte es, den Kopf zu schütteln. Mein Dad sah zwar nicht aus wie ein verschrobener Buchhändler, aber für einen Mitarbeiter der inneren Sicherheit hätte ich ihn auch nicht gehalten.
„Und bevor du fragst, ich war kein Schreibtischtiger, sondern tatsächlich Ermittler . Nach der Erbschaft habe ich aufgehört, vor sechs Jahren etwa. Du kannst dir also sicher sein, dass ich weiß, wie man sich versteckt, wie man sich einer Verfolgung entzieht und auch, wie man anständig abtaucht.“
„Das ist …! Mann, ich bin echt platt!“
„Das macht nichts. Es ist nichts, was ich herumerzähle. Stephen weiß es natürlich, ich bin seit über zehn Jahren mit ihm zusammen, aber ansonsten … na ja, so etwas gilt durchaus als Geheimsache. Ich habe bisher gehofft, keine alten Kontakte reaktivieren zu müssen, aber wie es jetzt aussieht, werden wir zwei oder drei Flüge nehmen und am Ende wieder nach Großbritannien zurückkehren. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie dort noch suchen, wenn sie denken, wir wären abgehauen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Du kannst zurückkommen, ich nicht, ich muss vorher ein paar andere Spuren legen. Sie dürfen mich auf gar keinen Fall in deiner Gegenwart sehen, verstehst du das? Sie würden nach Tennington gehen und alles ich Schutt und Asche legen. Nur damit ich dorthin nicht zurückkann. Sie würden dich töten. Dich, Stephen, Yves, all meine Freunde …“
Er nickte. „Ja, natürlich verstehe ich, was du meinst. Ich mache dir einen Vorschlag: Wir trennen uns, legen zwei Spuren mit möglichst vielen Finten und treffen uns danach wieder.“
Ich zögerte. Das klang wirklich nach einem Plan , und wenn er durch seine Vergangenheit so genau wusste, worauf er zu achten hatte, vielleicht konnte es dann sogar funktionieren?
„Lass mich darüber nachdenken, ja? Ich hab einfach Angst, dass sie dich kriegen …“
Er nickte. „Hey, eigentlich passen Väter auf ihre Söhne auf, nicht andersrum. Aber ich verstehe das.“
Der Flug dauerte lange, irgendwann schlief ich ein , und als Zachary mich weckte, fühlte ich mich hundeelend. Wir landeten in New York und suchten uns ein kleines Hotel, dort besprachen wir unsere weitere Vorgehensweise.
Kapitel 24
YVES
Ich müsste doch daran gewöhnt sein, ohne Etienne hier in Tennington zu sein. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die vergangenen Wochen, nein, immerhin schon dreieinhalb Monate, hatten mich jedoch trotz allen Liebeskummers so sehr auf ihn geprägt, dass ich jetzt, nur drei Tage nach seinem überstürzten Aufbruch mit Zachary echte Entzugserscheinungen zeigte.
Klar, ich wusste, dass er mich liebte, mir vertraute und zu mir gehörte, aber er war so unerreichbar weit weg!
Nach ihrer Ankunft in New York hatten sie sich kurz bei Stephen gemeldet. Hatten nichts über ihre Pläne verraten. Nur gesagt, dass sie gut angekommen waren und bislang keine Probleme bei Ausweiskontrollen gehabt hatten.
Ich dachte an das Foto von mir, welches meinen Reisepass zierte. Wenn man nicht zu genau hinsah, konnte man Etienne und mich darauf wirklich verwechseln. Zumindest, wenn man davon ausging, dass er sich die Haare gefärbt hatte. Wir hatten beide schmale Gesichter mit sichtbaren Wangenknochen und halbwegs markantem Kinn. Zudem war mein Foto kein neues. Es zeigte mich vor drei Jahren, kurz nachdem ich die Klinik verlassen hatte. Man würde ihn für eine erwachsenere Version des abgelichteten Jungen halten und dafür war ich unendlich dankbar.
Immerhin das hatte ich für ihn tun können. Ich seufzte tief und sah auf den Koffer, der neben meiner Zimmertür darauf wartete, dass irgendein gelackter Fahrer meines Vater aufkreuzte und ihn kommentarlos für mich nach unten
Weitere Kostenlose Bücher