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Dummendorf - Roman

Dummendorf - Roman

Titel: Dummendorf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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heißen Sie weiter? Michailowitsch.«
    »Ja, ich weiß, dass Sie Geschichtslehrer sind!«, wehrte sie den erschrockenen Mitja ab. »Keine Panik. Ich lasse Sie ja nicht Physik unterrichten. Das schaffen Sie schon!«
    »Und die fünfte Klasse – zu mir! Mal sehen, was noch in euren Köpfen drin ist!«, schloss Klawdija, und Vitka kam es vor, als hätte sie den Rachen auf- und zugeklappt wie ein Wolf.
    »Schluss mit lustig!«, stöhnte Ilja Sergeitsch. »Hitler kaputt!«
    »Die brummt uns ein Diktat auf«, mutmaßte Wanka unfroh und biss vor Ärger ein knackiges Blütenblatt von seiner Gladiole ab.
     
    Langsam, als stiege er aufs Schafott, ging Mitja die paar Treppenstufen hinauf und betrat das winzige Klassenzimmer, in dem nur drei Schulbänke und ein Lehrertisch standen. Sechs Schüler nahmen ungeordnet vor ihm Aufstellung.
    »Setzt euch«, murmelte Mitja. »Und steht bitte nicht mehr auf. Diese militärischen Ehrenbezeugungen brauche ich nicht.«
    Die Mädchen musterten ihn voller Neugier. Der schöne Pascha blieb ungerührt. Wassenka Gawrilow runzelte verständnislos die Stirn. In den Augen des unglücklichen Sanja, den Angelique ein Schreckgespenst genannt hatte, leuchtete Respekt auf.
    Der neue Lehrer blätterte in der Textsammlung für den Literaturunterricht, und sein pochendes Herz beruhigte sich langsam. Nicht einmal die eingetretene Pause bedrückte ihn mehr. Es gab ohnehin kein Zurück.
    Ich werde sein, wie ich bin, dachte Mitja unbestimmt und entspannte sich beinahe.
    »Hm, ja. Wir werden einen anderen Weg gehen. Habt ihr selber denn irgendetwas gelesen?«, begann er und schlug das nutzlose dicke Buch zu.
    »Vom dicken fetten Pfannekuchen«, kicherte Angelique und sandte dem neuen Lehrer verstohlen einen durchdringenden Blick aus ihren angemalten blauen Augen zu.
    »Wir hatten nichts auf!«, verkündete Wassenka rasch.
    »Ich hab was gelesen«, bekannte Sanja widerwillig. »Bulgakow zum Beispiel.«
    »Wir auch!«, riefen die beiden Daschas erfreut. »Wir haben Der Meister und Margarita im Fernsehen gesehen!«
    »Und Hundeherz ?«, fragte Mitja ohne besondere Hoffnung. »Das gibt es ja auch als Film.«
    »Hab ich gelesen«, meldete sich Sanja.
    »Na, sehr schön. Ich bin, wie ihr wisst, Geschichtslehrer. Und ich werde hier nicht den Philologen spielen. Aber diese Erzählung bietet auch unter historischen Gesichtspunkten interessanten Stoff zum Nachdenken. Jewdokija Pawlowna wird euch dann über die literarischen Aspekte unterrichten.«
    »Sie ist doch auch keine Literaturlehrerin«, sagte eine der Daschas. »Früher hat sie bei uns nur Mathe unterrichtet. Aber seit alle anderen weggekürzt sind, diktiert sie uns alle Fächer nach dem Lehrbuch.«
    »Diktieren? Wieso?«
    »Na, so. Damit wir es behalten.«
    »Nein«, lehnte Mitja entschieden ab. »Lehrbücher abschreiben kommt nicht in Frage. Das können andere machen. Wir werden uns unterhalten. Und versuchen nachzudenken.«
    Den ganzen Rest der Stunde erzählten er und Sanja der Klasse Hundeherz nach.
    »Und dann hat er sich in sie verliebt?«, fragte Angelique immer wieder.
    Aber Liebe kam ewig nicht vor, die öde Geschichte dehnte sich endlos, dafür blickte Pascha romantisch aus dem Fenster, und die Herbstsonne vergoldete seinen Haarschopf. Schließlich schaute Klawdija herein und gab anstelle des Klingelzeichens das Kommando:
    »Zehn Minuten Pause!«
    Auf dem Hof erholten sich die Fünftklässler bereits lärmend von dem anstrengenden Diktat. Ilja Sergeitsch lief auf den Händen, und Vitka und Wanka feuerten um die Wette faule Kartoffeln auf ihn.
    Während der zweiten Stunde schaute Vater Konstantin in der Schule vorbei. Er machte sich Sorgen. Vom Lehrerzimmer aus rief er in der Suworow-Schule an und erfuhr, dass Kostja gut angekommen sei, sich bisher nichts Unerlaubtes habe zuschulden kommen lassen und noch keine einzige Rüge kassiert habe.
    Die Tür zu dem Klassenzimmer, in dem er vor fast einem halben Jahr dem tobenden Heimjungen zum ersten Mal begegnet war, stand einen Spalt offen, und von dort drang Klawdijas empörter Ausruf:
    »Eine Schande! Zweiundzwanzig Fehler in einem Absatz! Ihr Holzköpfe! Wir müssen ganz von vorn anfangen. Ryshikow! Du fällst sowieso gleich vom Stuhl, geh die Fibel holen. Wir nehmen noch mal das Alphabet durch, wie in der ersten Klasse!«
    Ilja Sergeitsch schoss hinaus, stieß sich ab und lief auf Händen durch den Flur, die Füße in den neuen Schuhen in der Luft. Als er Vater Konstantin erblickte, war er mit einem

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