Dune 01: Der Wüstenplanet
er.
»Vergiß nicht, diesen Aspekt zu berücksichtigen, wenn du mit deinem Vater sprichst.«
»Ich verstehe.«
Jessica ging zu einem der Filterglasfenster hinüber und blickte nach Südwesten, wo die Sonne Arrakis' sich eben anschickte, hinter den Felsen zu versinken – ein großer gelber Ball über den Klippen.
Paul, neben sie tretend, sagte: »Ich glaube auch nicht daran, daß es Hawat ist. Aber was hältst du von Yueh?«
»Er ist weder ein Leutnant, noch ein enger Mitarbeiter«, erwiderte Jessica. »Und ich kann dir versichern, daß er die Harkonnens nicht weniger haßt als wir.«
Paul schaute zu den Bergen und dachte: Und es kann auch nicht Gurney sein. Oder Duncan. Vielleicht einer der Unterleutnants? Unmöglich. Sie alle gehören Familien an, die uns bereits seit Generationen loyal gegenüberstehen – und aus guten Gründen.
Jessica strich sich über die Stirn. Sie fühlte sich ausgelaugt. All diese Bosheit! Sie betrachtete die Landschaft hinter dem gelben Filterglas. An den Südflügel des Gebäudes schloß sich ein eingezäuntes Lagerhaus an, in dem sich eine Reihe von Gewürzsilos befand. Es war umgeben von Wachttürmen, die es umwoben wie ein Spinnennetz. Andere Silos, zu denen ebenfalls Wachttürme gehörten, reihten sich auf zu einer langen Kette, die über die Ebene bis zum Fuß des Schildwalls reichte.
Langsam näherte sich die gefilterte Sonne dem Horizont, die ersten Sterne tauchten am Himmel auf. Jessica nahm einen von ihnen besonders wahr. Er war dem Horizont sehr nahe und blinkte in einem Rhythmus, der wie ein Zittern wirkte.
Neben ihr stand Paul, doch Jessica konzentrierte sich auf diesen einzelnen, leuchtenden Stern. Plötzlich wurde ihr klar, daß er einfach zu tief stand, um ein Stern zu sein, daß das Leuchten direkt aus den Felsen kommen mußte.
Lichtsignale!
Sie versuchte die Botschaft zu entziffern, fand aber rasch heraus, daß sie in einem Code gehalten war, den sie nicht kannte.
Jetzt antwortete jemand aus der Ebene: kleine gelbe Blitze, die sich von der blauen Finsternis deutlich abhoben. Das Licht zu ihrer Linken wurde heller, funkelte. An, aus. An, aus.
Dann erlosch es.
Der falsche Stern in den Bergen hauchte im gleichen Moment ebenfalls sein Leben aus.
Signale ... und sie erfüllten Jessica mit dunklen Vorahnungen. Warum benutzt man eine Lampe, um Botschaften über die Ebene zu schicken? fragte sie sich. Warum benutzt man nicht das reguläre Kommunikationssystem?
Die Antwort war offensichtlich: Das Kommunikationsnetz wurde von den Leuten der Atreides kontrolliert. Lichtsignale konnten nur den Grund haben, daß man sich dieser Kontrolle entziehen wollte. Und das wies auf die Agenten der Harkonnens hin.
Erneut wurde an die Schleusentür geklopft. Einer von Hawats Männern sagte: »Es ist alles klar, Sir ... und Mylady. Zeit, den jungen Herrn zu seinem Vater zu bringen.«
11
Es ist gesagt worden, daß Herzog Leto alle auf Arrakis herrschenden Gefahren ignorierte, daß er kopflos in die aufgestellte Falle lief. Wäre es nicht eher möglich, daß sein ständigen Todesgefahren ausgesetztes Leben ihn so gefangennahm, daß die Erhöhung einer Gefahrenintensität für ihn einfach nicht mehr vorstellbar war? Oder ist es möglich, daß er bewußt einen Opfergang antrat, um seinem Sohn ein Leben ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen? All diese Eindrücke können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Herzog nicht leicht zu narren war.
Aus ›Bemerkungen zur Familie des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Herzog Leto Atreides lehnte an der Brüstung des Landekontrollturms außerhalb von Arrakeen. Der erste Mond, eine leuchtende Silbermünze, hing voll am nächtlichen Himmel des südlichen Horizonts. Darunter schimmerten die Klippen des Schildwalls wie bizarre Gletscherformationen durch eine Nebelwand. Links von ihm strahlten die Lichter der Stadt: gelb ... weiß ... blau.
Er dachte an die Proklamationen, die jetzt an allen öffentlichen Plätzen des Planeten ausgehängt wurden und seine Unterschrift trugen: ›Unser Erhabener Imperator hat mich dazu ausersehen, Arrakis zu übernehmen und alle herrschenden Streitigkeiten zu beenden.‹
Der rituelle Formalismus dieser Worte erfüllte ihn mit Einsamkeit. Wer würde sich schon von diesen lächerlichen Phrasen beeinflussen lassen? Ganz bestimmt nicht die Fremen. Und erst recht nicht die Kleinen Häuser, die den Binnenhandel von Arrakis kontrollierten ... und die bis zum letzten Mann auf der Harkonnen-Seite
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