Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Gesserit haben ein offizielles Gesuch eingereicht«, sagte Stilgar, eine neue Akte aufschlagend. »Sie erbitten eine Audienz, um mit Ihnen über die Erhaltung ihrer genealogischen Linie zu sprechen.«
Chani warf einen Seitenblick auf das Schriftstück, als ob es einen tödlichen Sprengsatz enthielte.
»Schicken Sie der Schwesternschaft die üblichen Entschuldigungen«, sagte Paul.
»Muß das sein?« fragte Irulan.
»Vielleicht ist dies der Zeitpunkt für eine Diskussion des Themas«, sagte Chani.
Paul schüttelte heftig den Kopf. Sie konnten nicht wissen, daß dies ein Teil des Preises war, den zu zahlen er noch nicht entschieden hatte.
Aber Chani war nicht aufzuhalten. »Ich bin bei der Gebetsmauer von Sietch Tabr gewesen, meinem Geburtsort. Ich habe Ärzte befragt. Ich habe in der Wüste gekniet und meine Gedanken in die Tiefe geschickt, wo der Shai-Hulud wohnt. Doch nichts hilft.«
Wissenschaft und Aberglaube haben sich ihr versagt, dachte Paul. Lasse auch ich sie im Stich, indem ich sie im unklaren lasse, welche Folgen es haben wird, wenn sie einen Erbfolger zur Welt bringt? Er blickte auf und fand einen Ausdruck von Mitleid in Alias Augen. Die Idee, von seiner Schwester bemitleidet zu werden, stieß ihn ab. Hatte auch sie diese schreckenerregende Zukunft gesehen?
»Mein Gemahl muß die Gefahren kennen, die seinem Herrschaftsbereich drohen, wenn er keinen Erben hat«, sagte Irulan mit Genugtuung. »Es ist natürlich schwierig, über diese Dinge zu diskutieren, aber sie müssen einmal ans Licht. Ein Herrscher ist mehr als ein Mann. Seine Gestalt ist der einzige Faktor, der sein Reich zusammenhält. Stirbt er ohne einen Nachfolger, muß es unausweichlich zu einem Bürgerkrieg kommen. Da du erklärt hast, dein Volk zu lieben, wirst du es schwerlich diesem Schicksal überlassen wollen.«
Paul stieß sich vom Tisch ab, stand auf und schritt zu den Fenstern. Ein scharfer Nordost drückte den Rauch aus den Kaminen der Stadt in die engen Schluchten der Gassen. Über der staubigen Dunstschicht wölbte der Himmel sich im weichen, klaren Blau des frühen Abends. Er betrachtete den kahlen, zerklüfteten Gebirgswall im Süden, der seine nördlichen Länder gegen den Corioliswind aus den südlichen Wüsten abschirmte, und er fragte sich, warum sein eigener Geist nicht einen solchen Schutzwall finden konnte.
Die anderen saßen stumm und wartend hinter ihm; keiner unter ihnen, der nicht wußte, wie nahe er einem Zornesausbruch war.
Paul fühlte die Zeit auf sich einstürzen. Er versuchte, sich in eine ruhige Ausgeglichenheit zu zwingen. Mach dich frei, dachte er, zieh dich zurück. Was würde geschehen, wenn er Chani mitnähme und mit ihr nach Tupile ins Exil ginge? Sein Name würde zurückbleiben. Der Djihad würde von einem neuen Mythos angeheizt, und er wäre dafür verantwortlich. Er fühlte eine plötzliche Furcht, daß er beim Griff nach irgend etwas Neuem fallen lassen könnte, was ihm am wertvollsten war, daß selbst das leiseste Geräusch von ihm ein Echo auslösen könnte, in dessen krachendem Zurückschlagen das Universum in Trümmer fallen würde, bis er kein Stück mehr wiederfände.
Unter ihm zog eine Pilgergruppe in weißen und grünen Gewändern über den Platz, voraus ein einheimischer Fremdenführer. Die Gestalten erinnerten Paul daran, daß sein Audienzsaal inzwischen von Bittstellern und Pilgern überquellen mußte.
Pilger! Ihr religiöser Eifer war zu einer Abscheu erregenden Quelle des Reichtums für sein Imperium geworden. Der Hadj füllte die Raumschiffe mit religiösen Vagabunden. Sie kamen und sie kamen und sie kamen.
Wie habe ich dies nur in Gang gesetzt? fragte er sich.
Es hatte sich natürlich von selbst in Gang gesetzt. Getrieben von vagen Instinkten, denen ein religiöses Ziel rationale Rechtfertigung verlieh, strömten die Menschen herbei, suchten Wiederauferstehung. Die Pilgerreise endete hier – für viele. »Arrakis, der Ort der Wiedergeburt, der Ort zum Sterben.« So und ähnlich lauteten die Sprüche, mit denen die Missionare ihren prospektiven Schäflein Hoffnungen einpflanzten.
Boshafte Bewohner von Arrakis sagten, er schätze die Pilger wegen des Wassergehalts ihrer Körper und lasse die Verstorbenen auspressen, um das Destillat für die Bewässerung seiner Palastgärten zu verwenden.
Was suchten die Pilger wirklich? Sie sagten, sie kämen zu einem heiligen Ort. Aber sie mußten wissen, daß es im Universum keinen Garten Eden gab, kein Tupile für müde Seelen. Sie
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