Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
nannten Arrakis den Ort des Unbekannten, wo alle Geheimnisse offenbart würden. Es war ein Bindeglied zwischen ihrem Universum und dem nächsten. Und das Beängstigende daran war, daß die meisten von ihnen befriedigt fortzugehen schienen.
Was finden sie hier? dachte Paul verwundert.
Nicht selten erfüllten sie in ihrer religiösen Ekstase die Straßen mit Schreien und Anrufungen, daß man sich in ein seltsames Vogelhaus versetzt fühlte. Tatsächlich nannten die Einheimischen sie »Zugvögel«. Und die vielen, die auf Arrakis starben, waren »geflügelte Seelen«.
Mit einem Seufzer dachte Paul daran, wie jeder neue Planet, den seine Legionen unterwarfen, neue Pilgerquellen eröffnete.
Er fühlte, daß irgendwo in ihm eine endlose Rauhreifnacht ertrunken lag. Sein zweites Gesicht hatte an dem Bild des Universums herumgepfuscht, das die Menschheit sich gemacht hatte. Er hatte den sicheren Kosmos erschüttert und Sicherheit durch seinen Heiligen Krieg ersetzt. Er hatte das Universum der Menschen bezwungen, aber die Gewißheit war da, daß dieses Universum sich ihm weiterhin verweigerte.
Dieser Planet, auf dem er stand, war in weiten Teilen in ein wasserreiches Paradies verwandelt worden, eine längst gestorbene Welt, die er wiederbelebt hatte. Nun, da ihr Pulsschlag kräftiger und dynamischer war als der irgendeines Menschen, widerstand sie ihm, wehrte sich, entglitt seiner Kontrolle ...
Eine Hand schob sich in die seine. Er wandte den Kopf und sah in Chanis Augen, die ihn besorgt ansahen. Ihre Wärme ging auf ihn über, beruhigte ihn.
»Sihaya«, murmelte er.
»Wir müssen bald in die Wüste gehen«, sagte sie leise.
Er drückte ihre Hand fest, ließ sie los und kehrte an den Tisch zurück, wo er stehenblieb.
Chani nahm ihren Platz ein.
Irulan starrte auf die Papiere vor Stilgar; ihr Mund war eine gespannte Linie.
»Irulan schlägt sich selbst als Mutter des Thronerben vor«, sagte Paul. Er blickte von Chani zu Irulan, die seinem Blick nicht begegnete. »Wir alle wissen, daß sie keine Liebe für mich empfindet.«
Irulan schwieg.
»Ich kenne die politischen Argumente«, fuhr Paul fort. »Aber es sind die menschlichen Argumente, die mich beschäftigen. Ich glaube, wenn Irulan nicht durch die Befehle der Bene Gesserit gebunden wäre, wenn sie dies nicht aus dem Verlangen nach persönlicher Macht wünschte, könnte meine Reaktion eine ganz andere sein. Wie die Dinge liegen, muß ich diesen Vorschlag jedoch zurückweisen.«
Irulan holte einmal Luft, aber ihre Miene blieb starr.
Paul setzte sich und fand, daß er sie noch nie so unbeherrscht gesehen hatte. Er beugte sich leicht über den Tisch und sagte: »Irulan, es tut mir wirklich leid.«
Sie hob das Kinn, nackte Wut in den Augen. »Ich will dein Mitleid nicht!« zischte sie. Und zu Stilgar gewandt: »Gibt es noch mehr, das dringend und wichtig ist?«
Ohne seinen Blick von Paul abzuwenden, sagte Stilgar: »Noch eine Angelegenheit. Die Gilde schlägt wieder die Errichtung einer ständigen Gesandtschaft hier auf Arrakis vor.«
In Korbas Augen entflammte ein Ausdruck fanatischer Gegnerschaft. »Ein Vorschlag, der mit größter Vorsicht überlegt zu werden verdient«, warnte er. »Der Rat der Naibs würde die ständige Anwesenheit von Gildenleuten hier auf Arrakis entschieden ablehnen. Sie vergiften den Boden, wenn sie ihn nur berühren.«
»Sie leben in Behältern und berühren den Boden nicht«, stellte Paul fest, dessen Stimme Gereiztheit anklingen ließ.
»Die Naibs könnten die Dinge in die Hand nehmen, Herr«, sagte Korba.
Paul bedachte ihn mit einem finsteren Blick, aber Korba ließ sich davon nicht einschüchtern. »Wir sind Fremen, Herr«, beharrte er. »Wir erinnern uns noch gut, daß die Gilde unsere Bedrücker brachte. Wir haben nicht vergessen, wie sie ein Gewürz-Lösegeld von uns erpreßten, mit der Drohung, unsere Geheimnisse an unsere Feinde zu verraten. Die Gilde hat uns ausgepreßt bis zum ...«
Paul brachte ihn mit ungeduldiger Handbewegung zum Schweigen. »Genug! Glauben Sie, ich hätte es vergessen?«
Als ob ihm gerade erst die Bedeutung seiner eigenen Worte klargeworden wäre, fing Korba unverständlich zu stammeln an, dann murmelte er zerknirscht: »Vergebt mir, Herr. Ich wollte damit nicht andeuten, Sie seien keiner von uns. Ich hatte nicht die Absicht ...«
»Sie werden einen Steuermann schicken«, sagte Paul. »Es ist nicht wahrscheinlich, daß ein Steuermann kommen würde, wenn er eine Gefahr darin sähe.«
Den Mund
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