Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
mehr. Unterwürfig fiel sein Blick auf Odrades Stirn, dorthin, wo der Kappenrand ihres Destillanzugs oberhalb ihrer Brauen eine tiefe Linie gezogen hatte. Als er sprach, waren seine Worte nur noch ein Flüstern:
»Ehrwürdige Mutter, es ist nur so, daß wir uns übergangen fühlen. Sie und der Tleilaxu gehen mit unserer Sheeana in die Wüste. Sie werden beide etwas von ihr lernen, und ...« Seine Schultern sackten herab. »Warum nehmen Sie den Tleilaxu mit?«
»Weil Sheeana es so wünscht«, log Odrade.
Albertus machte den Mund auf, aber er schloß ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Odrade sah, daß er ihre Antwort akzeptierte.
»Sie werden mit meiner Warnung zu den Ihren zurückkehren«, sagte Odrade. »Das Überleben des Planeten Rakis und seiner Priesterschaft hängt allein davon ab, wie bedingungslos man mir gehorcht. Man wird uns keinesfalls mehr behindern! Und was die kindische Verschwörung gegen uns angeht – Sheeana verrät uns jeden bösen Gedanken, den Sie haben!«
Albertus' Reaktion auf diese Worte überraschte sie. Er schüttelte den Kopf und stieß ein trockenes Kichern aus. Es war Odrade schon aufgefallen, daß viele der Priester sich an Niederlagen erfreuten, aber sie hatte nicht vermutet, daß sie sich auch über ihr eigenes Versagen amüsieren konnten.
»Ich finde Ihr Gelächter unverständlich«, sagte sie.
Albertus zuckte die Achseln und bemühte sich, gelassen zu erscheinen. Odrade hatte schon mehrere seiner Masken gesehen. Fassaden! Er trug mehrere davon übereinander. Und tief unter ihnen, unter all diesen zur Verteidigung dienenden Tarnungen, befand sich ein Mensch, der sich Sorgen machte, jener Mensch, den sie gerade noch demaskiert hatte. Wenn man den Priestern jedoch zu sehr mit Fragen zusetzte, verfielen sie auf eine geradezu gefährliche Weise in die blumigsten Erklärungen.
Ich muß den Besorgten wieder in ihm hervorrufen, dachte Odrade. Als Albertus zum Sprechen ansetzte, unterbrach sie ihn.
»Genug! Sie warten auf mich, bis ich aus der Wüste zurückkehre. Und jetzt sind Sie mein Kurier! Überbringen Sie meine Nachricht wortwörtlich, und Sie werden eine größere Belohnung erhalten, als Sie sich je erträumt haben. Versagen Sie, werden Sie die Agonie Shaitans erleben!«
Odrade schaute Albertus zu, als er mit eingezogenen Schultern und eilenden Schritts den Hofgarten verließ. Er hielt den Kopf vorgereckt, als könne er es gar nicht erwarten, so schnell wie möglich in die Hörweite seiner Brüder zu gelangen.
Insgesamt gesehen, dachte Odrade, hatte alles geklappt. Sie war ein kalkuliertes Risiko und eine sie persönlich bedrohende Gefahr eingegangen. Sie zweifelte nicht daran, daß auf den Balkonen versteckte Meuchelmörder gewartet hatten. Sie hatten nur auf ein Signal von Albertus gewartet. Und die Angst, die er nun in sich zu ihnen zurückbrachte, war eine Waffe, die die Bene Gesserit dank ihrer jahrtausendelangen Manipulationen bestens zu führen wußten, so ansteckend und so tödlich wie jede Pest. Die ausbildenden Schwestern bezeichneten sie als ›inszenierte Hysterie‹. Man hatte sie inszeniert (›auf ein Ziel gerichtet‹ war wohl treffender), damit sie bis ins Herz der rakisianischen Priesterschaft drang. Man konnte sich auf sie verlassen, besonders angesichts des nun einsetzenden Nachdrucks. Die Priester würden sich fügen. Von nun an brauchte man nur noch die wenigen immunen Ketzer zu fürchten.
29
Dies ist das ehrfurchtgebietende Universum der Magie: Es gibt keine Atome, überall sind nur Wellen und Bewegung. Hier sagt man sich von allen Verständigungsbarrieren los. Man verständigt sich nicht mehr. Man kann dieses Universum weder sehen noch hören, noch auf irgendeine Weise mit herkömmlichen Sinnen erfassen. Es ist die äußerste Leere, in der es keine vorher angeordneten Schirme gibt, auf die man irgendwelche Formen projizieren könnte. Hier wird man nur eines gewahr – des Schirms der Magier: Imagination! Hier erfährt man, was es ist, menschlich zu sein. Du bist der Schöpfer der Ordnung, herrlicher Formen und Systeme, der Organisator des Chaos.
Das Atreides-Manifest
Bene Gesserit-Archiv
»Was du tust, ist zu gefährlich«, sagte Teg. »Meine Befehle besagen, daß ich dich beschützen und stärken soll. Ich kann das nicht weiter zulassen.«
Teg und Duncan standen in einem langen, holzgetäfelten Korridor vor dem Übungsraum der Nicht-Kugel. Ihre innere Uhr sagte ihnen, daß es Spätnachmittag war. Lucilla hatte gerade nach einer
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