Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
der Mutter Oberin noch frühstücken?« hatte die Helferin gefragt.
»Wir werden ihr zu Ehren damit warten.«
Odrade stand auf, brachte rasch ihre Toilette hinter sich und kleidete sich in ihre beste schwarze Robe. Dann begab sie sich ans Ostfenster des Unterkunfts-Gemeinschaftsraums und blickte in Richtung Raumhafen. Zahlreiche sich bewegende Lichter erhellten den dämmrigen Himmel. Sie aktivierte sämtliche Leuchtgloben des Raums, um den Blick nach außen angenehmer zu machen. Die Globen verwandelten sich auf dem dicken Panzer-Plaz der Fenster zu funkelnden, reflektierenden Sternen. Die matte Oberfläche der Plaz-Beschichtung spiegelte auch die Umrisse ihrer eigenen Züge wider. Sie sah deutliche Erschöpfungslinien auf ihrem Gesicht.
Ich wußte, daß sie kommen würde, dachte Odrade.
Im gleichen Moment, in dem sie diesen Gedanken hatte, kam die Sonne des Planeten Rakis über den staubwolkenverhangenen Horizont wie der orangefarbene Ball eines Kindes in ihr Blickfeld. Auf der Stelle breitete sich jene Hitze aus, von der Rakis-Besucher so oft berichteten. Odrade drehte sich um und sah, wie sich die Korridortür öffnete.
Taraza trat mit raschelnden Gewändern ein. Eine Hand schloß die Tür hinter ihr. Man ließ die beiden allein. Die Mutter Oberin näherte sich Odrade. Sie trug ihre Kapuze, und ihr Gesicht wirkte wie eingerahmt. Sie bot keinen Anblick, der einen ermutigte.
Als Taraza Odrades Unsicherheit bemerkte, ging sie darauf ein. »Nun, Dar, ich glaube, wir sind einander fremd geworden.«
Die Wirkung ihrer Worte brachte Odrade in Verwirrung. Sie interpretierte die Drohung so, wie sie gemeint war, aber nun verließ sie die Angst. Sie wich von ihr wie Wasser aus einem schadhaften Schlauch. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde Odrade bewußt, wo genau die Grenzen waren. Sie stand vor einer Linie, von deren Existenz sicher nur wenige Schwestern wußten. Als sie sie überschritt, wurde ihr klar, daß sie schon immer gewußt hatte, wo sie sich befand: Hier war der Ort, an dem sie in die Leere eintreten und sich frei bewegen konnte. Sie war nicht mehr verwundbar. Man konnte sie zwar umbringen, aber nicht schlagen.
»Also ist es aus mit Dar und Tar«, sagte sie.
Taraza vernahm den klaren, leeren Tonfall von Odrades Stimme und interpretierte ihn als Selbstsicherheit. »Vielleicht hat es Dar und Tar nie gegeben«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Ich stelle fest, daß du glaubst, du seist ungeheuer gerissen gewesen.«
Die Schlacht ist eröffnet, dachte Odrade. Aber ich werde ihr keine Angriffsfläche bieten.
Sie sagte: »Die Alternativen zu einer Allianz mit den Tleilaxu waren unakzeptabel. Besonders dann, als ich erkannte, was du uns wirklich zugedacht hast.«
Taraza fühlte sich plötzlich wie ausgelaugt. Es war eine lange Reise gewesen – auch angesichts der Warpsprünge ihres Nicht-Schiffs. Der Körper wußte immer, wann er aus seinem normalen Rhythmus herausgerissen wurde. Sie suchte sich einen weichen Diwan und setzte sich. Die luxuriöse Bequemlichkeit ließ sie aufseufzen.
Odrade erkannte den Erschöpfungszustand der Mutter Oberin und verspürte auf der Stelle Sympathie für sie. Plötzlich waren sie zwei Ehrwürdige Mütter mit einem gemeinsamen Problem.
Taraza schien dies zu spüren. Sie tätschelte das neben ihr liegende Kissen und wartete darauf, daß Odrade sich ebenfalls setzte.
»Wir müssen die Schwesternschaft bewahren«, sagte Taraza. »Das ist das einzig Wichtige.«
»Gewiß.«
Taraza maß Odrades Züge mit einem forschenden Blick. Ja, auch sie ist sehr erschöpft. »Du bist hier gewesen ... in allernächster Nähe des Volkes und des Problems«, sagte sie. »Ich möchte ... nein, Dar, ich muß deinen Standpunkt kennenlernen.«
»Die Tleilaxu tun so, als würden sie voll kooperieren«, sagte Odrade. »Aber dennoch verheimlichen sie uns etwas. Ich stelle mir allmählich einige äußerst unangenehme Fragen.«
»Zum Beispiel?«
»Was ist, wenn die Axolotl-Tanks – gar keine Tanks sind?«
»Was soll das heißen?«
»Waff verhält sich so, wie man es nur zu sehen kriegt, wenn eine Familie ein behindertes Kind oder einen verrückten Onkel zu verbergen versucht. Ich schwöre dir, daß er aus der Fassung gerät, wenn wir anfangen, die Tanks zu einem Thema zu machen.«
»Aber was könnten sie denn möglicherweise ...?«
»Surrogat-Mütter.«
»Aber dann müßten sie ...« Taraza brach ab. Die Möglichkeiten, die diese Frage eröffnete, schockierten sie.
»Wer hat je eine Tleilaxu-Frau
Weitere Kostenlose Bücher