Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
ihr Gedächtnis eingeprägt hatte. Die Zuchtmeisterin hatte ihr erklärt, dies sei zu erwarten und sie solle sich deswegen nicht ängstigen. Aber dann war Lucilla klar geworden, daß die Sexual-Einprägung ein zweischneidiges Schwert darstellte. Zwar konnte man an der Schwertklinge entlangfließen, aber man konnte sich dabei auch schneiden. Manchmal, wenn das männliche Gesicht ihrer ersten planmäßigen Verführung ungebeten in ihre Erinnerung zurückkehrte, fühlte Lucilla sich von ihm aus der Fassung gebracht. Die Erinnerung kam so regelmäßig auf dem Höhepunkt eines intimen Augenblicks, daß sie sich anstrengen mußte, es zu verheimlichen.
»Es kann dich nur stärken«, versicherten ihr die Zuchtmeisterinnen.
Dennoch gab es Zeiten, in denen sie den Eindruck hatte, etwas aufgerührt zu haben, das besser ein Rätsel geblieben wäre.
Ein Gefühl der Verstimmtheit überfiel Lucilla, als sie an das dachte, was sie tun mußte. Die Abende, an denen sie Duncans Übungen beobachtete, waren ihr stets die liebsten gewesen. Die Muskelentwicklung des Burschen wies auf einen unübersehbaren Fortschritt sämtlicher Prana-Bindu-Wunder hin, für die die Schwesternschaft berühmt war. Aber der nächste Schritt stand unmittelbar bevor. Jetzt konnte sie nicht mehr in der behutsamen Würdigung ihres Auftrags verharren.
Gleich würde Miles Teg herauskommen, das wußte sie. Dann würde sich Duncans Training in den Übungsraum verlagern, wo es um tödlichere Waffen ging.
Teg.
Lucilla dachte erneut über ihn nach. Sie hatte sich mehr als einmal auf eine bestimmte Weise von ihm angezogen gefühlt, die ihr nicht unbekannt war. Eine Einprägerin erfreute sich bei der Auswahl ihrer eigenen Zuchtpartner gewisser Privilegien – vorausgesetzt, sie hatte keine Dienstpflichten zu erfüllen oder gegenteiligen Anweisungen zu gehorchen. Teg war zwar alt, aber seine Unterlagen besagten, er könne durchaus noch zeugungsfähig sein. Natürlich würde sie das Kind nicht behalten können, aber schließlich hatte sie gelernt, auch damit fertigzuwerden.
Warum nicht? fragte sie sich.
Ihr Plan war extrem einfach gewesen: Bringe deine Einprägung bezüglich des Gholas zu Ende, laß deine Absicht von Taraza registrieren – und dann empfange ein Kind vom schrecklichen Miles Teg. Sie hatte alle Register gezogen, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, aber Teg war nicht darauf hereingefallen. Mit dem Zynismus eines Mentaten hatte er sie eines Nachmittags im Umkleideraum bei der Waffenkammer von ihrem Vorhaben abgehalten.
»Meine Zuchtjahre sind vorbei, Lucilla. Die Schwesternschaft sollte mit dem zufrieden sein, was ich ihr schon gegeben habe.«
Teg, lediglich angetan mit einem schwarzen Übungstrikot, fuhr damit fort, sein schweißbedecktes Gesicht mit einem Handtuch trockenzureiben, das er anschließend in einen Korb warf. Ohne sie anzusehen, sagte er: »Würdest du mich jetzt bitte allein lassen?«
Er hatte also schon die Ouvertüre durchschaut!
Nachdem sie wußte, wer Teg war, hätte sie das vorhersehen müssen. Lucilla wußte jedoch, daß noch nicht alle Chancen vertan waren. Eine Ehrwürdige Mutter ihres Kalibers fehlte nicht, nicht einmal bei einem Mentaten, der Tegs offensichtliche Stärke aufwies.
Lucilla blieb einen Augenblick lang unentschlossen stehen, während ihr Bewußtsein automatisch Schritte in Angriff nahm, um diese schon im Vorstadium erfolgte Zurückweisung zu überspielen. Etwas hielt sie an. Kein Ärger über die Zurückweisung, nicht die winzige Möglichkeit, er könne gegenüber ihren Reizen tatsächlich immun sein. Stolz und das Absinken desselben (diese Möglichkeit gab es immer) hatten damit nichts zu tun.
Würde.
Teg strahlte eine stille Würde aus, und sie wußte genau, was sein Mut und seine Tapferkeit der Schwesternschaft bereits gegeben hatten. Sich ihrer Motive nicht ganz sicher, wandte Lucilla sich von ihm ab. Vielleicht war es die unterschwellige Dankbarkeit, die die Schwesternschaft ihm gegenüber empfand. Teg jetzt zu verführen würde erniedrigend sein, nicht nur für ihn, sondern auch für sie. Sie konnte sich nicht zu einer solchen Handlung bewegen – nicht ohne den direkten Befehl einer Vorgesetzten.
Als sie an der Brustwehr stand, vernebelten einige dieser Erinnerungen ihre Sinne. In den Schatten am Torweg zum Waffenflügel entstand Bewegung. Sie erspähte Teg, schob ihre Erinnerung entschlossen beiseite und konzentrierte sich auf Duncan. Der Ghola hatte mit seinem kontrollierten Zickzackkurs über
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