Dune-Stories: Träume vom Wüstenplaneten
ihn zu schützen, wirst du natürlich genau das wollen. Aber hast du jemals über deine Pflicht gegenüber denen, die vor deinem Vater kamen, nachgedacht?«
» Vor meinem Vater ...« Der Junge schüttelte den Kopf.
»Du bist der Jüngste des Atreides-Geschlechts«, sagte sie. »Du trägst die Saat deiner Familie in dir. Und im Grunde genommen ist sie damit sehr angreifbar. Es gibt keine anderen legitimen Angehörigen eures Geschlechts. So weit ist es mit einer einstmals zahlenstarken Familie gekommen: Wenn du und dein Vater sterben, stirbt auch der Name Atreides. Dein Vetter, der Padischah-Imperator, der ein Corrino bar Shaddam ist, würde dann die letzten Güter der Atreides in den Regat einziehen, eine Möglichkeit, die ihm nicht entgangen ist. Das Ende der Atreides.«
»Du musst dich um deines Vaters willen schützen«, sagte Jessica. »Für all die anderen Atreides, deren Weg bis hierher geführt hat ... zu dir.«
»Deine Mutter wird dir von diesen Dingen erzählen. Sie stehen in keinem Geschichtsbuch, nicht so, wie sie sie dir erklären wird. Doch verlasse dich auf das, was sie dir sagt. Deine Mutter ist ein Hort des Wissens.«
Paul blickte auf seine Hand, die den Schmerz kennengelernt hatte, und dann zur Ehrwürdigen Mutter. Ihre Stimme hatte einen Beiklang, den er noch nie zuvor vernommen hatte. Es war, als wären die Worte von einem hellen Schein umgeben. Sie hatten eine Schärfe, die wie ein Messer schnitt. Er hatte das Gefühl, dass sie die Antwort auf jede Frage wusste, die er stellen würde. Und dass diese Antwort ihn über diese fleischliche Welt erheben würde. Doch Ehrfurcht ließ ihn schweigen.
»Nur zu, stell deine Frage«, sagte sie.
Er platzte damit heraus. »Wo kommt Ihr her?«
Sie nahm seine Worte auf und lächelte. »Ich habe diese Frage schon anders formuliert gehört. Ein Mädchen fragte mich einmal: ›Wie alt seid Ihr?‹ Ich fand, dass es eine gewisse weibliche Gewandtheit hatte.«
Er sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick.
»Ich komme von einer Schule der Bene Gesserit. Es gibt viele solcher Schulen, viele hoch viele. Bist du bereits mit mathematischen Exponentialzahlen vertraut?«
Er nickte.
»Gut. Alltagswissen ist immer von Nutzen, wenn man sich verständigen will. Wir lehren eine andere Art von Wissen. Wir lehren das, was man als ›Dinghaftigkeit‹ bezeichnen könnte. Sagt dir das etwas?«
Er schüttelte verneinend den Kopf.
»Wenn du deine Studien absolviert hast, wird es dir etwas sagen.«
»Aber das beantwortet meine Frage nicht«, sagt Paul.
»Wo ich herkomme? Ich bin eine Bene Gesserit. Wo also kommen die Bene Gesserit her? Nun, Junge, ich habe keine Zeit, um dir mehr als ein grobes Bild zu zeichnen. Wir überlassen es deiner Mutter, die Einzelheiten nachzureichen, einverstanden?«
Er nickte zustimmend.
»Vor langer Zeit hatten die Menschen Maschinen, die mehr für sie taten, als die Maschinen es heute tun. Andere Dinge. Sie hatten sogar Maschinen, die in gewisser Weise denken konnten. Sie hatten automatisierte Maschinen, die nützliche Dinge für sie herstellten. All das sollte die Menschen befreien, doch natürlich wurde den Maschinen dadurch ermöglicht, die Menschen zu versklaven. Ein Mensch mit der richtigen automatischen Maschine konnte zahlreiche zerstörerische Gegenstände herstellen. Begreifst du?«
Er fand seine Stimme wieder und wagte es, einen Ton von sich zu geben. »Ja.«
Sie bemerkte, dass sich etwas an ihm verändert hatte, dass er nun aufmerksamer war. »Gut, Junge. Was wir nicht hatten, war eine Maschine, die alle Menschen gut machen oder auch nur zu Menschen machen konnte. Es gibt viele falsche Menschen unter uns, Junge. Sie sehen aus wie Menschen. Sie können sprechen wie Menschen. Doch sobald sie einem gewissen Druck in die falsche Richtung ausgesetzt sind, entpuppen sie sich als Tiere. Und das Unglückselige daran ist, dass sie selbst sich als Menschen betrachten. Oh ja, sie können durchaus denken. Aber zu denken reicht nicht, um jemanden als Menschen zu qualifizieren.«
»Man muss über sein eigenes Denken nachdenken«, sagte er. »Man muss ...« Er zögerte. »... begreifen, wie man denkt.«
Sie verfolgte aufmerksam seine Worte und bewegte leise die Lippen mit. Dann wischte sie sich über die Augen und sagte: »Ach, diese Jessica.«
»Was ist aus den ganzen Maschinen geworden?«, fragte Paul.
»So eine Frage kann nur ein Mann stellen«, sagte sie. »Man hat sie vernichtet, Junge. Es gab Krieg. Eine Revolution.
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