Dungirri 01 - Schwarze Dornen
erstickende, verzehrende Angst aus, die ihn gepackt hatte, als er sie zusammengesunken auf dem Balkon hatte liegen sehen.
All die Jahre hatte er nur oberflächliche Beziehungen geführt - wenn seine Zeit es überhaupt zugelassen hatte. Unverbindliche, unkomplizierte und kurze Zwischenspiele, vergnügt und lustvoll, nach deren Ende keine Seite Liebeskummer oder den Wunsch nach mehr verspürte. Und er hatte darauf geachtet - sorgsam darauf geachtet -, dass niemand ihm wirklich nahe kam, und sei es auch nur dem Anschein nach. Niemals würde er eine Frau zum möglichen Opfer derjenigen machen, die es auf ihn abgesehen hatten.
Selbst heute noch, nach fünfzehn Jahren, verfolgten ihn der Geruch von Blut und die letzten, gurgelnden Seufzer seines Partners, die durch die Lagerhalle klangen. Ein Drogenboss hatte Ricks Frau entführt, um an sichergestelltes Beweismaterial heranzukommen - und zwei Menschen, die Alec am Herzen lagen, waren gestorben. Und was hatte es schon zu bedeuten, dass Eddie Jones nun lebenslang hinter Gittern saß für das, was er Rick und Shani angetan hatte? Es liefen genug andere herum, die nicht weniger brutal waren.
Aber hier, in der stummen Dunkelheit, musste er der Tatsache ins Auge sehen, dass er nach weniger als vierundzwanzig Stunden für Isabelle O’Connell mehr empfand, als für alle Damenbekanntschaften in seinem bisherigen Leben zusammengenommen. Doch eine wie auch
immer geartete Beziehung zwischen ihnen, die über ihre zeitlich begrenzte Zusammenarbeit an diesem Fall hinausging, war unmöglich.
Sie war Detective und auf Gefahrensituationen viel besser vorbereitet, als Shani es gewesen war, doch tief in seinem Herzen wusste er, dass dies Bellas letzter Einsatz war. Selbst wenn sie Tanya unverletzt finden würden, Bella würde nicht in diese - seine - Welt zurückkehren, so unbestritten ihre Fähigkeiten als Ermittlerin auch waren. Zu tief hatten sich der Tod von Jess und seine Folgen in ihre Seele eingegraben. Die Verletzungen würden dank ihrer Stärke heilen, aber zurückkehren würde sie nicht.
Sobald Tanya wieder da war, konnte Bella ungehindert ihren neuen Lebensweg finden, und er würde Abschied nehmen. Würde zu dem zurückkehren, was er am besten konnte, zu der Arbeit, der er sein Leben gewidmet hatte, der Arbeit, die keine Beziehung duldete.
Erinnerungen aus der Kindheit hatten sich ihm unvergesslich und unausweichlich eingeprägt. Nacht für Nacht hatte seine Mutter gewartet und nie gewusst, ob sein Vater, der als Detective in der Innenstadt arbeitete, durch die Tür treten würde oder ob er bereits zu einer Schlagzeile geworden war. Bis zu dem Tag - Alecs zwölfter Geburtstag -, an dem er nicht heimkehrte. Vier Tage später hatte Alec, mit zwölf zum Mann geworden, seine trauernde, gebrochene Mutter in der Kirche zum Sarg geführt, der das enthielt, was ein pistolenschwingender Drogenkurier von seinem Vater übrig gelassen hatte.
Der Tod von Rick und Shani hatte seine Überzeugung gefestigt, dass eine ernsthafte Beziehung unvereinbar war mit der Art von Polizeiarbeit, der er sein Leben verschrieben hatte. Doch bis jetzt war ihm nie bewusst gewesen,
was die Hingabe an seinen Beruf ihn kosten konnte. Nie würde er Bella an sich drücken, nie stille Freuden und intime Momente teilen, sie nie wie ein Freund und Geliebter kennen. Völlig unvorbereitet überrollte ihn die Woge des Verlustes, und mit zusammengebissenen Zähnen erstickte er ein Stöhnen aus seinem tiefsten Inneren.
Quälend langsam verstrichen die wenigen Stunden bis zum Morgen. Steif saß er im Sessel und beobachtete Bella, während Finn ihn beobachtete. Nur sie beide, im Dunklen auf der Hut, um sie zu beschützen.
Die Träume kamen, und wie seit den ersten Tagen im Krankenhaus vermischten sich reale Erinnerungen mit eingebildeten Ängsten, bis sie nicht mehr unterscheiden konnte zwischen Fakten und Furcht. Menschen stürmten auf sie ein, doch sie versuchte unter Todesangst, mit dem eigenen Körper ihren Schutzbefohlenen vom Hagel der Fäuste, Stöcke und Steine abzuschirmen. Sie musste seinen Kopf schützen und schloss die Arme enger um ihn, verzweifelt bemüht, die zwei Dutzend Schritte bis zum Wagen zu schaffen. Die Menge fiel über sie her, zerrte an ihren Armen, riss ihren Kopf an den Haaren zurück, um an ihn heranzukommen. Schmerz explodierte in ihrer Schulter, zog in den Arm, sie hörte das Krachen splitternder Knochen und ihren eigenen Schmerzensschrei. Der Kampf, die aufsteigende Panik, die
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