Dungirri 01 - Schwarze Dornen
entsetzliche Erkenntnis, dass es dem Mob gelungen war, sie von ihm wegzuzerren, dass sie ihn nicht hatte retten können …
Arme legten sich sanft um sie und beschützten sie, so wie sie es für Chalmers hatte tun wollen, und das besänftigende Murmeln einer vertrauten Stimme überzeugten sie, dass sie in Sicherheit war.
11
D ie warme Sonne auf dem Gesicht weckte sie. Noch halb vom Schlaf umfangen dauerte es einen Moment, bis ihr klar wurde, dass es bereits weit nach Tagesanbruch sein musste, wenn die Sonne so hoch stand, dass sie durch das Fenster schien. Von Alec war nichts zu sehen, aber durch die offene Tür hörte sie Kris und Jeanie leise miteinander sprechen, dazu die deutlich weniger zurückhaltenden Geräusche von Finn, der Trockenfutter hinunterschlang und mit der Hundemarke dauernd gegen den Blechnapf schlug. Irgendwann während sie geschlafen hatte, musste Kris die Wache übernommen haben. Sie sah auf die Uhr - kurz nach sieben. So lange hatte sie nicht schlafen wollen.
Noch nicht bereit, sofort aufzustehen, blieb sie quer im Bett liegen, halb von den Laken bedeckt. Trotz des kurzen Schlafs fühlte sie sich seltsam ausgeruht. Es musste mindestens zwei gewesen sein, als sie eingeschlafen war, eher später.
Sie hatte wieder Albträume gehabt. Aber das war nichts Neues. Nacht für Nacht schreckte sie um sich schlagend und schweißgebadet in stummen Schreien hoch, wenn es am schlimmsten war; sie stand dann auf, trank etwas Wasser, um Schlaf und Albtraum gänzlich abzuschütteln, und legte sich wieder hin in der Hoffnung, noch einmal einschlafen zu können.
Aber sie konnte sich nicht daran erinnern, vergangene Nacht aufgewacht zu sein. Der Albtraum - ja, an den erinnerte sie sich undeutlich. Seltsam verwirrt von dieser Abweichung schloss sie noch einmal die Augen, um die fliehenden Traumfetzen zu erhaschen.
Einzelne Bruchteile kamen zurück. Sie hatte geträumt, dass jemand eingegriffen - ihr geholfen - hatte. Jemand? Nein, kein gesichtsloser Jemand - Alec. Ihre Vorstellungskraft hatte die Episode auf dem Balkon in einen anderen Zusammenhang gestellt, und im Traum hatte das Unterbewusstsein ihr den Trost geschenkt, den sie sich im wahren Leben versagt hatte.
Ein Fehltritt, der sie nun im wachen Zustand zum Schäumen brachte. Sie brauchte niemanden und wollte niemanden. Gut, letzte Nacht hatte sie sich einen Beschützer gefallen lassen, weil sie erschöpft und verunsichert gewesen war und als Detective wusste, dass es vernünftig war, aber ein Bodyguard war etwas völlig anderes, als … als von seinen Armen zu träumen, die sie umfingen, die sie schützend an sich zogen, in die Sicherheit seines starken Körpers.
Sie kniff fest die Augen zusammen, als würde das die Lebendigkeit ihrer Vorstellungen verschwinden lassen. Doch es trug nicht dazu bei, die Erinnerungen auszuradieren, die sich ihr eher als körperliche Empfindungen, denn als Bilder eingeprägt hatten. Das widersprach völlig ihren üblichen Vorbehalten, und der Verrat ihres Innersten, das sich plötzlich auf einen anderen Menschen verlassen wollte - und sei es auch nur im Traum -, verwirrte und verunsicherte sie. Sie hatte sich nie in der Rolle des schwachen Frauchens gesehen, des Opfers; sie war zur Unabhängigkeit erzogen worden, war kompetent
und einfallsreich, und die zehn Jahre im Polizeidienst hatten ihre Selbstständigkeit nur gesteigert.
Sie würde das Ganze dem Schrecken der eben überstandenen Angriffe zuschreiben und als einmaligen Ausrutscher verbuchen. Sie hatte jedenfalls keinen Bedarf, den ohnedies umfangreichen Katalog an verstörenden Trugbildern, mit denen ihr Unterbewusstes sie marterte, um Träume von Alec Goddard zu erweitern.
Das Gespräch vor der Tür ging zu Ende, sie setzte sich rasch auf und schwang gerade die Beine über die Bettkante, als Kris eintrat.
Isabelle hatte Kris vor einigen Jahren auf einem Lehrgang in Sydney kennengelernt, ihre ungekünstelte Lebenseinstellung und ihr gutmütiger Humor hatten sie sofort für sie eingenommen. Wenn nötig, konnte sie hart, kompromisslos und unverblümt sein, doch sie war auch scharfsinnig und neugierig, und das konnte Isabelle jetzt gerade nicht gebrauchen.
»Wie geht es dir?«, erkundigte sich Kris und sah sie scharf an, während sie sich in den Sessel setzte, in dem Alec die Nacht verbracht hatte.
»Ging schon schlechter«, entgegnete Isabelle und rieb sich die steifen Schultern. »War das Jeanie da draußen?«
»Ja. Sie hat Finn gefüttert.«
»Lieb von
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