Dunkel ist die Sonne
gleichen Lage sein würde wie d a mals, als ihre Mutter sie nackt und ohne Waffen in den Dschungel gejagt hatte. Der Unterschied bestand allein darin, daß sie nun alt war – und blind. Würden ihre Ki n der ihr beim Schwimmen helfen, oder würden sie sie im Stich lassen? Sie hatte ihnen keinen Grund gegeben, sie zu lieben.
Vielleicht dachte sie gerade das gleiche. Aber wenn das so war, ließ sie es sich auf keinen Fall anmerken. Sie blickte grimmig drein.
Der Yawtl stolzierte auf Feersh zu.
„Na, du altes Scheusal, wo ist jetzt deine Zauberkraft, wo sind deine Listen und Ränke und deine Arroganz? Hoozisst hat dich ganz schön reingelegt, stimmt’s? Bald wirst du im Schlamm versinken, und dein Fleisch wird von den Fischen gefressen werden, wenn es sie auch vie l leicht krank macht.“
Hoozissts Gelächter wurde durch einen harten Schlag von der Hand Jowanarrs unterbrochen. Er taumelte nach hinten und hielt sich die Wange; seine Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt. Dann zückte er plötzlich das Schwert und erhob es, um die Tochter zu fällen. Sie starrte ihn mit gefalteten Armen an.
Hoozisst hielt inne. „Ha, das hättest du wohl gern, daß ich dich jetzt töte, damit dir die Angst vor dem Ertrinken erspart bleibt. Mich betrügst du nicht, du scheußliche Tochter eines alten Scheusals. Aber falls du es bis zur Küste schaffen solltest, wirst du nicht mehr lange leben. Das verspreche ich dir.“
„Hast du die Schiffe nicht gesehen?“ fragte Jowanarr. „Ihre Mannschaften werden alles, was du uns gestohlen hast, wieder von dir nehmen. Wenn du nicht vorher unter dem Gewicht ersäufst, du gefräßiges Ungeheuer.“
Hoozisst wirbelte herum, und seine schmalen Augen vergrößerten sich. Er begann zu fluchen und stampfte mit dem Fuß auf, bis die anderen ihn auslachten. Kurz da r auf, als das Wasser und die Schiffe näher kamen, wurden alle auf dem Tharakorm still.
Nach einer Weile sahen sie, daß sie sich getäuscht ha t ten, was die Mannschaften anging. Es waren weder Me n schen noch Yawtl. Riesige, weißliche Wesen krochen an Deck herum. Außerdem gab es weder Reling noch Ste u errad, obwohl der obere Teil eines Ruders über dem Wasser zu sehen war, und auch keine Taue, die zu den Segeln hinaufführten. Es fehlten noch andere Dinge, aber auf dem Tharakorm war schon keine Zeit mehr, um da r über nachzudenken. Sie waren nur noch drei Meter über der Wasseroberfläche, dann noch anderthalb, und dann waren sie auch schon gelandet.
Wenn sie flach auf dem Deck gelegen hätten, wären sie mit voller Wucht in den See hineingesegelt. Anso n sten verlief die Landung nicht weiter aufregend. Die Tharakorm hoben und senkten sich bei dem hohen Se e gang; dann wurde es langsam ruhig. Bald spülte Wasser über die Reling. Es vergingen ein paar Minuten. Deyv stand auf. Im Moment schienen sie nicht zu sinken. Wind und Strömung trieben sie langsam von der Küste weg.
Das Segelschiff, das ihnen am nächsten war, drehte sich zum Wind und begann Kurs auf sie zu nehmen. Die Spiere der Schonersegel bewegten sich, aber Deyv verstand nichts vom Segeln auf hoher See und konnte darum auch nicht wissen, weshalb diese Veränderungen eintraten. Soweit er das beurteilen konnte, taten die schneckenartigen Wesen an Deck weiterhin nichts and e res als herumzukriechen.
Mehrere eigenartige Gegenstände wuchsen an Rumpf und Masten oder waren dort befestigt. Zuerst sahen sie aus wie Blumen mit kurzen gelben Stielen und blauen Blütenblättern mit grünen Mittelpunkten. Ihre Wurzeln schlangen sich um die Mäste oder hingen seitlich am Rumpf. Die Blütenköpfe drehten sich hin und her, als ob sie Augen hätten. Diejenigen am Rumpf beobachteten das Wasser; diejenigen an den Masten aber bewegten sich horizontal.
Er rechnete damit, daß das Schiff sich direkt auf die Tharakorm zubewegte. Statt dessen segelte es in einer Entfernung von fünfzehn Metern vorbei. Dann begann es wieder zu drehen und nahm direkten Kurs auf die Thar a korm. Wollte es sie etwa rammen?
Feersh und die anderen hatten sich von den Masten freigemacht. Ihre Kinder und die Sklaven wollten nicht ins Wasser. Solange man nicht sank, sahen sie keinen Grund zu schwimmen. Die Hexe fauchte sie an, daß sie bald so weit vom Land entfernt sein würden, daß sie nicht mehr imstande sein würden hinzuschwimmen. Wenn es nicht schon zu spät war.
Es war schon zu spät. Als Feersh ihre Leute mit Schreien und Flüchen zum Bug hintrieb, begann die Wasseroberfläche in der
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