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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Rückseite der Hütte und deutete in Richtung Fluss. Sie trug dasselbe alte Kleid wie immer. Ihre Haare waren tropfnass, und an ihren Füßen war eine Nähmaschine festgebunden. Sie schleifte sie hinter sich her wie eine Eisenkugel an einer Kette, allerdings ohne das geringste Geräusch zu machen. Sie war völlig aufgequollen, wie damals, als wir sie gefunden hatten. Schließlich blieb sie stehen und wandte sich zu mir um, sah mich an, runzelte die Stirn und deutete mit dem Finger auf die Rückwand. Mir kam das so wirklich vor, dass ich sogar den Fluss an ihr riechen konnte.
    Dann wachte ich richtig auf. Ich hob den Kopf, sah jedoch kein Gespenst. Aber ich war mir sicher, dass May Lynn in dem Zimmer gewesen war und mich gedrängt hatte, auf das Floß zurückzukehren und nach Gladewater und Hollywood weiterzufahren.
    Mein Magen fühlte sich urplötzlich furchtbar leer an. Außerdem war mir warm, und ich schwitzte. Ich beschloss aufzustehen und zum Eisschrank rüberzuschleichen, um mir etwas kühle Buttermilch zu stibitzen, aber als ich mich aufsetzte, hatten sich meine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, und ich sah, dass die Tür zu Mamas Schlafzimmer offen stand.
    Um Terry, der weiter hinten in der Hütte schlief, und Jinx, die neben der Tür lag, nicht zu wecken, ging ich auf Zehenspitzen rüber und spähte rein. Das Bett war leer. Ich drehte mich um und ging zum Fenster neben der Eingangstür. Dort zögerte ich einen Moment und lauschte. Jinx schnarchte, als hätte ihr jemand Socken in die Nasenlöcher gestopft. Vorsichtig schob ich den Vorhang beiseite. Außer dem Wetterleuchten, das über die Bäume tanzte, und ein paar Leuchtkäfern, die aussahen, als würden sie von einer unsichtbaren Mauer abprallen, war nichts zu erkennen.
    Ich schlich zu meiner Pritsche zurück, nahm meine Schuhe, tappte zur Tür hinaus und schloss sie leise hinter mir. Dann blieb ich auf der Veranda stehen und überlegte, ob ich wirklich tun sollte,was ich da vorhatte. Schließlich beantwortete ich diese Frage mit ja, selbst wenn der Papst deswegen eine Hasenscharte bekommen sollte.
    Jetzt schlenderte ich betont unauffällig zum Wagen des Reverend rüber und schaute rein. Decken und Kissen des Reverend lagen auf dem Vordersitz, aber er selbst leistete ihnen keine Gesellschaft, und Mama ebenso wenig, worüber ich einigermaßen erleichtert war, wenn auch nicht allzu sehr, da ich nicht wusste, wo die beiden sich herumtrieben. Warum mir das solches Magengrimmen bereitete, wusste ich nicht genau, aber ändern konnte ich daran nichts. Ich stellte mir nur ungern vor, Mama könnte mit dem Reverend zusammen sein, jedenfalls nicht so, wie ich mir das vorstellte. Natürlich hatte sie ein Recht auf etwas Glück, aber es beunruhigte mich trotzdem, wahrscheinlich weil ich wollte, dass sie und mein echter Vater wieder zueinanderfanden und wir wieder eine richtige Familie sein würden.
    Mir wurde bald klar, dass ich gar nicht so genau wissen wollte, was sie taten, und ich wandte mich wieder der Hütte zu. Da hörte ich Stimmen. Sie kamen von hinter der Hütte, also machte ich einen Bogen darum herum. Auf Höhe der Rückwand blieb ich stehen und lauschte. Die Stimmen kamen doch von weiter her, als ich gedacht hatte, und waren hier nur deshalb so gut zu hören, weil sie den Hang raufhallten. Verstehen konnte ich nichts, aber das waren eindeutig Mama und Reverend Joy, die da redeten.
    Ich schlich den Hügel runter, wobei ich mich unter den Bäumen hielt, bis ich dorthin kam, wo das Gefälle etwas nachließ, bevor der Hang wieder steil abfiel. Ich setzte mich hin, denn von hier aus konnte ich sie nicht nur gut hören, sondern auch sehen, zwar nur ihre Umrisse, aber das genügte mir schon. Sie saßen unten am Wasser auf dem Floß und unterhielten sich. Klar, das war nicht nett von mir, aber ich war einfach neugierig.
    Anfangs sagten sie nichts Wichtiges, und das meiste davon habich wieder vergessen. Der Reverend schwang das große Wort, erzählte von diesem und jenem, aber bei seinem Tonfall hatte ich den Eindruck, dass er irgendwas Wildes im Kopf hatte und jetzt versuchte, sich ranzuschleichen und es zu befreien, ohne gebissen zu werden.
    »Ich bin mir nicht mehr sicher«, sagte er, »ob es wirklich meine Berufung ist zu predigen.«
    »Hat Gott Sie berufen?«, fragte Mama.
    »Das dachte ich bisher. Aber jetzt weiß ich das nicht mehr so genau. Allmählich glaube ich, ich hab mir das nur eingeredet.«
    »Sie wissen, warum die Mitglieder Ihrer

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