Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
Gemeinde Sie verlassen, oder?«
    »Ja.«
    »Ich auch. Eigentlich sollten wir von hier verschwinden, aber statt Ihnen die Entscheidung abzunehmen, sind wir geblieben. Es ist unsere Schuld. Wenn wir gehen, ist wieder alles so, wie es war.«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Nein, ist es nicht. Morgen packen wir unsere Sachen und fahren weiter.«
    »Dafür ist es bereits zu spät, Helen.«
    »Vielleicht nicht.«
    Ich konnte sehen, wie sich der Arm des Reverend auf und ab bewegte, und dann platschte immer etwas in den Fluss. Irgendwann wurde mir klar, dass neben ihm ein Haufen Kieselsteine lag, die er wahrscheinlich auf dem Weg nach unten aufgelesen hatte, und die pfefferte er jetzt ins Wasser. Schließlich waren sie alle, und er hörte damit auf. Sie saßen nebeneinander und starrten raus auf den dunklen Fluss.
    »Sie haben mir noch gar nicht erzählt, warum Sie überhaupt den Fluss runterfahren«, sagte er.
    Mama überlegte lange, bevor sie antwortete. »Ich bin meinem Mann weggelaufen, und die Kinder wollen nach Hollywood.«
    »Nach Kalifornien?«
    »Ja«, sagte sie, und dann erzählte sie ihm den ganzen Kladderadatsch, außer das mit dem Geld und May Lynns Asche. Das ließ sie weg. Ich weiß nicht, warum, aber ich war froh darüber. Doch alles andere erzählte sie ihm. Sogar das mit Brian und ihrer Schwangerschaft, und dass ich und Don nicht miteinander klarkamen, und dass er sie und mich schlug. Auch Gene bekam sein Fett weg. Dass sie ihm von der Schwangerschaft erzählte und wie sie vor lauter Verzweiflung Don geheiratet hatte, wunderte mich, denn so lange wusste ich das auch noch nicht, und jetzt verriet sie das alles einem Kerl, den sie erst seit Kurzem kannte.
    Am Schluss sagte sie: »Jetzt wissen Sie, was für eine Frau ich bin.«
    »Bevor Ihr schlechtes Gewissen mit Ihnen durchgeht«, entgegnete er, »sollten Sie wissen, dass ich ein Mörder bin.«
    Ich erschrak so sehr, dass ich aufsprang und mich wieder hinsetzte.
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte Mama.
    »Nicht mit eigener Hand«, erwiderte er, »aber ein Mörder bin ich trotzdem. Als ich ein Teenager war, hab ich ein Gewehr geklaut. Es taugte nicht viel, aber trotzdem, es war Diebstahl. Da ich in der Gegend, wo das Gewehr verschwunden war, gesehen wurde, wurde ich verhört. Ich schob die Schuld auf einen farbigen Jungen, den ich kannte. Wir waren zusammen aufgewachsen, hatten gemeinsam geangelt und gespielt. Unser Lieblingsplatz war ein großer Baum, eine Eiche am Flussufer. Von den Ästen sind wir immer ins Wasser gesprungen und da rumgeschwommen.«
    Genau das Gleiche hatten ich und Jinx und Terry und May Lynn auch getan. Es war eine komische Vorstellung, dass er auch ein Kind gewesen war, so wie wir, und dass er sich die Zeit mit denselben Dingen vertrieben hatte.
    »Einmal«, fuhr er fort, »war die Strömung vom Regen so stark,dass sie mich, nachdem ich in den Fluss gesprungen war, mit sich fortriss. Jaren sprang mir nach, bekam mich zu fassen, und gemeinsam schwammen wir um unser Leben. Fast wären wir ertrunken, aber er hielt durch, während ich schon längst nicht mehr konnte. Er hat mich aus dem Fluss gezogen. Aus diesem Fluss hier. Dem Sabine. Hat mir das Leben gerettet. Ich hab ihm an Ort und Stelle erklärt, dass ich ihm mein Leben verdankte und dass ich immer zu ihm halten würde. Und dann passierte das mit dem Gewehr.
    Ich war unterwegs zum Teich gewesen, wo ich mich mit Jaren zum Angeln treffen wollte, und da hab ich gesehen, wie sein Besitzer, ein alter Mann, es auf der Veranda an einen Pfosten lehnte. Tja, und da hat mir der Teufel wohl was ins Ohr geflüstert, denn ich verfiel darauf, dass ich nur zu der Veranda rüberschlendern musste, um mir das Gewehr unter den Nagel zu reißen, und der Alte würde bestimmt nichts merken. Das hab ich dann auch getan. Ich hab’s mit nach Hause genommen und in unserer Scheune versteckt.
    Aber der Alte kriegte sofort mit, dass es nicht mehr da war, und bevor ich mich versah, stand der Sheriff bei uns vor der Tür. Der Alte hatte mich die Straße entlanggehen sehen und das dem Sheriff erzählt, und der Sheriff fragte mich nun, ob ich das Gewehr gestohlen hatte. Ich hab nein gesagt und dass ich so was nie tun würde, aber ich hätte Jaren vor mir die Straße runterlaufen gesehen, und von dem wüsste ja jeder, dass er ein Dieb war, was natürlich nicht stimmte. Aber ich spürte den heißen Atem des Gesetzes im Nacken und log wie gedruckt. Also haben sie nach Jaren gesucht, und obwohl sie das Gewehr

Weitere Kostenlose Bücher