Dunkle Gewaesser
das, obwohl es längst weg war. Und das schwarze Pferd kam immer näher, und da hab ich das weiße Pferd vergessen und bin losgerannt. Das Pferd galoppierte hinter mir her, und aus seinen Nüstern schnaubte es Feuer. Es kam immer näher und näher, und ich konnte nicht mehr schneller rennen. Kurz bevor es mich eingeholt hat … bin ich aufgewacht.«
»Das ist nur ein Traum, Mama. Hinter dir sind keine Pferde her. Warum auch?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das ein Zeichen. So was wie eine Warnung. Ich hab das Gefühl, dass es was bedeutet.«
»Es bedeutet, dass du dich ausruhen musst, Mama. Nicht mehr und nicht weniger.«
Wir gingen zu Jinx und Terry zurück. Jinx war inzwischen aufgewacht und kniete neben Terry. »Er sieht nicht gut aus«, sagte sie.
Da hatte sie recht. Sogar im Sternenlicht konnte ich sehen, dass seine Hand noch mehr angeschwollen war.
»Sieht so aus, als müssten wir zu Fuß weiter«, sagte ich, »und Hilfe suchen.«
»Wir werden gesucht«, sagte Jinx.
»Nur von Don und Cletus. Die erzählen bestimmt keinem Gesetzeshüter von dem Geld. Schließlich haben sie genauso viel Dreck am Stecken wie wir.«
»Und was ist mit Skunk?«, wollte Jinx wissen. »Vielleicht lauert der hier irgendwo im Wald und hat zugeschaut, wie wir schlafen. Es heißt, er würd sich immer viel Zeit lassen, weil für ihn alles nur ein Spiel ist.«
»Hoffen wir, dass das nicht stimmt.«
»Vor lauter Hoffnung rennen wir noch in unser Unglück«, sagte Jinx.
Da fiel mir etwas ein. »Wisst ihr was, das ist nicht unser einziges Problem.«
»Was denn noch?«, fragte Mama.
»Gene und Constable Sy«, antwortete ich. »Die Leute wissen, dass wir in dem Haus gewohnt haben. Wahrscheinlich glauben sie jetzt, dass wir sie umgebracht haben.«
»Daran hab ich noch gar nicht gedacht«, sagte Jinx. »Dann werden wir also doch gesucht, und zwar richtig.« Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: »Andererseits hat Reverend Joy Gene mit dem Brett erschlagen. Er ist tot, also können wir ihm ruhig beide Morde in die Schuhe schieben.«
»Das ist nicht recht«, sagte Mama.
»Nein«, erwiderte Jinx, »recht ist es nicht, aber uns hilft es.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Er wollte uns doch nur helfen.«
»Das weiß ich«, sagte Jinx mit ungewöhnlich tiefer Stimme. »Ich hab nur laut nachgedacht. Aber glücklich bin ich damit auch nicht. Also machen wir uns wohl besser auf die Socken und lassen es drauf ankommen. Vielleicht schaffen wir’s ja. Ich sitz jedenfalls lieber im Gefängnis, als mich mit Skunk anzulegen.«
»Ich glaube nicht, dass Terry gehen kann«, sagte Mama. »Und was ist mit dem Reverend?«
»Der geht ganz bestimmt nirgendwo mehr hin«, meinte Jinx.
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte Mama.
»Wenn wir ihn da rausziehn«, sagte ich, »haben wir keine Möglichkeit, ihn ordentlich zu begraben. Mir fällt nichts ein, was wir für ihn tun können.«
»Wir können ihn doch nicht einfach da hängen lassen«, sagte Mama.
»Von mir aus schon«, erwiderte Jinx.
Ich sah auf Terry runter. »Darüber können wir jetzt so lange reden, bis Terry an Blutvergiftung stirbt, oder wir können aufbrechen, solange wir noch genug Kraft dazu haben. Ich hab gehört, dass Skunk meistens nachts unterwegs ist, und wenn wir weiterhinhier rumstehen, dann löst er alle Probleme für uns, aber nicht so, dass uns das gefallen wird.«
»Also gut«, sagte Mama. »Aber wohin gehen wir?«
Ich dachte einen Moment lang nach. »Wir könnten zum Wald rüberlaufen und schauen, ob’s da eine Straße gibt. Aber wahrscheinlich ist es das Beste, wir halten uns am Fluss. Dann finden wir bestimmt eine Ortschaft oder sonst eine Menschenseele.«
Wir quatschten noch eine Weile darüber und kamen schließlich zu dem Schluss, dass es das Beste war, zusammenzubleiben. Dann hatten wir vielleicht eine Chance, aber falls wir uns trennten, würde Skunk uns ganz bestimmt töten, wenn er uns noch auf den Fersen war. Zu dritt konnten wir uns vielleicht gegen ihn wehren. Terry würde uns dabei natürlich keine Hilfe sein, aber wir konnten ihn ja an den Fußknöcheln packen und herumwirbeln, vielleicht taugte er dann als Waffe.
Nach einigem guten Zureden stand Terry auf und legte mir und Jinx die Arme über die Schultern. So konnte er laufen, auch wenn er nicht richtig bei Verstand war, denn er brabbelte die ganze Zeit über dies und das: »Es war ein Unfall«, sagte er immer wieder.
»Was denn?«, fragte ich ihn. »Was war ein Unfall?«
»Das
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