Dunkle Häfen - Band 1
noch. Er war mir so selbstverständlich geworden, dass ich ihn vergessen hatte. Nein, nicht vergessen. Bis jetzt war ich nie in so arge Bedrängnis gekommen, dass ich ihn hätte verkaufen müssen.
"Ich werde für Euc h alle Essen und Medizin kaufen", sagte ich zu den anderen, als ich von Bord ging.
Sie blieben auf dem Schiff, geschwächt oder noch kränkelnd, nur William nahm ich mit mir. Ich fragte die Leute nach einem Juwelier. Sie blickten mich misstrauisch an, vermutlich argwöhnten sie, dass ich ihn ausrauben wollte. Aber schließlich kam ich bis zu dem Geschäft. Der Besitzer wollte mich gleich wieder rauswerfen, er rief nach zwei mächtigen Kerlen, die die Schätze bewachten.
"Halt, wartet!" , schrie ich. "Ich habe einen Rubin für Euch!"
Verzweifelt fuchtelte ich mit dem Ring herum, auf dem Arm den erschreckend ruhigen William. Vorsichtig näherte sich der Juwelier, er gab seinen Männern eine n Wink, stehen zu bleiben. Funkelnd verfing sich das Licht in dem Rubin und glitzerte unheilvoll. Die Augen des Juweliers wurden groß.
"Oh, was für eine schöner Stein! Ist der auch echt?"
"Ja, ja natürlich!"
Ungeduldig hielt ich ihm den Stein hin. Gierig untersuchte der Juwelier ihn und lächelte dann.
"Ja, er ist echt. Mit Verlaub, Miss, der ist ein Vermögen wert. Ein absolutes Einzelstück und erst dieser Goldreif!"
Liebevoll drehte er ihn zwischen den Fingern.
"Ich brauche alles in Geld!" , drängte ich. "Jetzt sofort!"
Erstaunt sah er mich an, dann erkannte er seine Chance, mir wesentlich weniger zu geben, als der Ring wert war, denn ich war in großer Eile und hatte keine Zeit zum Feilschen. Trotzdem war es eine gewaltige Menge Geld, die ich in den Händen hielt. Der Rubin leuchtete drohend auf, als ich ihn endgültig aus der Hand gab. Ja, nun hatte ich ihn verkauft, obwohl mir die Warnung der alten Frau noch allzu gut in Erinnerung geblieben war. Ich fragte den Juwelier noch nach dem besten Arzt der Stadt, den er mir bereitwillig nannte, da er gerade ein so gutes Geschäft gemacht hatte. Mit seiner Beschreibung fand ich ihn leicht, das weitere wurde schon schwerer. Ich musste mir beinahe gewaltsam Zutritt zu seiner Praxis verschaffen, da ein Diener mich nicht einlassen wollte. Als der Mann mich notgedrungen beim Arzt meldete, wurde ich mit sprachloser Miene empfangen. Der Arzt war ein älterer Herr, der wohlbeleibt und gut angezogen war. Sicher verdiente er sehr gut. Und mich betrachtete er gewiss unter seiner Würde.
"Ihr müsst meinen Sohn behandeln!" , schrie ich ihn an und hielt ihm das leblose Bündel entgegen.
Abwehrend hob er die Hand.
"Was fällt dir ein? Verlass sofort mein Haus! Du hast keinen Termin!"
Natürlich sah er zuerst meine zerknautschte Kleidung und meine Hosen.
"Ich habe Geld! Viel Geld!" , stieß ich atemlos hervor, weil ich so schnell gerannt war.
Er wollte mein Kind nicht behandeln, drohte mir, mich festnehmen zu lassen. Selbst als ich ihm das Geld zeigte, weigerte er sich. Da zog ich meine Pistole und befahl ihm, William auf der Stelle zu behandeln, sonst würde ich ihn erschießen.
Seine Augen weiteten sich, als der Pistolenlauf vor seiner Nase schwebte.
"Wer seid Ihr eigentlich?" , fragte er erschrocken.
Doch auf mein ungeduldiges Fuchteln hin machte er sich an die Untersuchung. Wäre ich weniger in Sorge gewesen, hätte es mich amüsiert, wie kleinlaut er auf einmal war. Als Piratenkapitän hatte ich eine gewisse Autorität entwickeln müssen, um meine Mannschaft im Zaum zu halten und die schien auch hier zu wirken. Die Stirn des Arztes furchte sich sorgenvoll, als er seine Untersuchung abgeschlossen hatte. Ich konnte erahnen, was er dachte. Er hatte Angst, ich könne ihn töten, wenn William starb und genau das glaubte er.
"Nein!" , gab ich verzweifelt von mir. "Nun tut doch etwas!"
Er verabreichte William verschiedene Mittel. Was sollte er auch mehr tun?
"Das ist alles, meine Dame, der Rest liegt in Gottes Hand. Ich kann Euch nur Anweisungen geben, wie Ihr ihm helfen könnt, wieder zu genesen und ich kann Euch Medizin mitgeben. Ihr hättet früher kommen müssen..."
Ich wollte ihm nicht in die Augen sehen. "Wird er überleben?"
"Ich sagte Euch, das entscheidet Gott. Noch besteht Hoffnung, aber ich kann Euch als Arzt keine falschen Versprechen machen."
Ich nickte. Vielleicht steckte mehr in ihm, als sein anfängliches Verhalten hatte vermuten lassen.
"Bitte gebt mir noch mehr von der Medizin gegen dieses Fieber mit. Ich werde alles bezahlen."
Er
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