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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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umklammerte es krampfhaft. Lianna... Er stand jetzt direkt vor ihr und sah ihr in die Augen. Dann löste er vorsichtig ihre Finger von dem Amulett und betrachtete es.
    "Mein Gott... Du bist es! Das kann doch nicht wahr sein! Erkennst du mich denn nicht mehr?"
    Der Nebel in ihrer Erinnerung hatte sich zu klebrigen Spinnweben verdickt, die sich immer enger um sie wickelten und sie zu ersticken drohten.
    Warte, lass mir Zeit. Ich habe Angst...
    Doch sein Gesicht drang durch den Nebel und fand irgendwo sein jüngeres Spiegelbild.
    "Colin?" Ihre Stimme zitterte unsicher, als sie den Namen aussprach, der in ihrem Kopf war.
    Sie hatte das Gefühl, dass ihr etwas entglitt und außer Kontrolle geriet. Der Drang, wegzulaufen, wurde fast übermächtig stark.
    "Das ist ein Wunder! Ja, ich bin's, Colin!"
    Sie wurde gepackt und an eine breite Brust gedrückt.
    "Wie habe ich dich all die Jahre betrauert! Und hier läufst du mir nun einfach über den Weg! Liebste Cousine!"
    Sie musste an grüne Hügel denken, in denen Menschen wohnten, so rau wie die Landschaft. Ein kleines Mädchen, das mit seinem Cousin umher rannte und die Welt entdecken wollte. Und Freude, Aufregung. Der Mann, der ihr Cousin war, ließ sie los und hielt sie auf Armeslänge von sich, um sie zu betrachten.
    "Wunderschön siehst du aus! Fast hätte ich die kleine Lianna nicht mehr erkannt. Wenn ich nicht dein Amulett gesehen hätte... Aber warum hast du dich nie gemeldet? Wir dachten alle, du wärst tot!"
    Sie schwieg verwirrt und plötzlich rannen Tränen über ihr Gesicht. Sie waren Freunde gewesen und hatten zusammen gespielt, wenn sie bei ihm zu Besuch gewesen war. Was noch?
    "Hilf mir, Colin! Ich kann mich an nichts erinnern! Wo meine Kindheit sein sollte, ist nur Nebel! Was ist denn passiert?"
    Ungläubig nahm er ihre Hände in seine. Dann wurde seine Miene kummervoll.
    "Also weißt du es gar nicht. Ist denn wirklich alles weg? Ich habe gehört, dass es so etwas gibt, aber... Lianna, ich kann dir leider nichts Gutes erzählen. Deine Eltern sind tot. Sie wollten vor den Unruhen in Irland zu uns nach Schottland fliehen. Doch man hat sie im Hochland überfallen und getötet. Ich kann nicht glauben, dass es gewöhnliche Banditen waren. Man wollte sie tot sehen. Wir dachten, dass auch du tot wärst."
    Schreie. Angst. Daran konnte sie sich erinnern. Und Verrat.
    "Es s timmt nicht, dass alles weg ist", flüsterte sie erstickt. "Es war immer da, nur verschüttet und vom Nebel verschlungen. Ich hatte Träume... Wann war das, Colin?"
    "1690. In Irland gab es wegen der Unruhen keinen sicheren Platz mehr für euch. Die Familie deines Vaters war in die Kriegshandlungen verwickelt."
    Das war das Jahr, in dem sie nach London gekommen war, auf einem Heuwagen. Sie hatte es vergessen wollen, im Nebel ersticken wollen wie alles andere, was unerträglich war.
    "Mein Vater? Meine Mutter? Ich kann ihre Gesichter nicht sehen!" , schrie sie verzweifelt auf. "Was ist mit mir los?"
    Alles, Ramis ganze Existenz, die sie mühsam aufgebaut hatte, geriet ins Wanken und drohte in sich zusammenzufallen, denn der Untergrund war sumpfig.
    "Lasst sie sofort in Ruhe!" Die erboste Stimme gehörte dem Marquis, der angestürmt kam, als er die Herzogin so aufgelöst erblickte.
    Etwas, das ihm Angst machte, verzerrte ihr Gesicht. Der Schotte warf einen hilflosen Blick auf seine wiedergefundene Cousine.
    "Ihr habt kein Grund zur Sorge, Monsieur. Sie ist meine Cousine, die ich seit dreißig Jahren nicht gesehen habe! Ich wollte sie nicht beunruhig en, aber sie hat ein Recht, die Wahrheit zu erfahren. Vielleicht sollte man sie vorerst allerdings wirklich auf ihr Zimmer bringen, damit sie sich beruhigen kann."
    "Nein!" , protestierte Ramis wild. "Ich muss alles wissen!"
    Doch mit sanfter Gewalt zog der Marquis sie fort. Sie schien nicht mehr die Kraft zu haben, sich zu wehren, als hätte ihr die Wahrheit, die sie verdrängt hatte, das Leben entzogen.
    "Wir unterhalten uns später!" , erklärte der Marquis Colin finster.
    Der musterte ihn grimmig.
    "Ich muss erst mit ihr sprechen!"
     
    Ramis betrat ihr Zimmer, wo sie wie eine Schlafwandlerin sich aufs Bett setzte.
    "Mein Kopf ist so leer und doch so voll!" , stöhnte sie. "Er ist mein Cousin! Das ist alles nicht möglich! Ich kann mich doch an nichts erinnern! Ich weiß nicht einmal, wie meine Eltern aussehen! Ich habe sie vergessen, einen unverzeihlichen Verrat begangen!"
    Der Marquis versuchte, sie zu beruhigen, doch sie war vollkommen außer

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